Rotmilane mögen Pappeln. Landwirte mögen sie weniger. Genauer gesagt die Hybridpappeln, die in unserer baumarmen Börde zu so etwas wie Charakterbäumen geworden sind. Die Behörden der DDR haben dazu wesentlich beigetragen. Sie ordneten die Anpflanzung der schnellwüchsigen ursprünglich landesfremden Holzproduzenten an.
Rotmilane mögen Pappeln, weil sie sich als Horstbäume anbieten. Wer Näheres wissen möchte, frage nach beim NABU, dem sachkundigen Naturschutzverband. Landwirte runzeln die Stirn, weil Hybridpappeln an Feldrändern mitunter zu Astbruch neigen. Ihr starkes Wurzelwerk kann auch einmal bis in einen Acker hinein wachsen. Moderne Landmaschinen sind teure Investitionen.
Die Kreisbehörden schließlich folgen der Richtlinie, Hybridpappeln als sogenannte Neophyten, also nicht zum hiesigen Ökosystem gehörende, nicht standortgerechte Bäume, Zug um Zug zu fällen und sofort durch geeignete Jungbäume anderer Arten zu ersetzen, langfristige Pflege beim Aufwuchs eingeschlossen. Das geht nur nach Haushaltslage, denn es kostet!
In dieses Szenario gehören die 151 Pappeln von Hohenwarsleben. Voll ausgewachsene stattliche Kerle, offensichtlich fast alle gesund. Ein Teil von ihnen steht an dem ehemaligen Wanderweg zum Felsenberg. Heute verläuft sich dorthin nur noch selten ein Mensch. Der landwirtschaftliche Verkehr benutzt den Pappel-bestandenen Weg auch nicht.
Ist es die Aufmerksamkeit Einzelner oder eine Portion Zufall, oder beides? Jedenfalls war es keine Bekanntmachung der Gemeinde, durch die die „Baumschutzinitiative Hohe Börde“ im Herbst 2013 erfahren hat, dass die 151 Pappeln fallen sollen. Ortsbeirat, Gemeindeverwaltung, Landkreis, alle hatten sie schon den Daumen gesenkt, unter Beachtung aller gesetzlichen Vorschriften, selbstverständlich. Finanziert wäre die Maßnahme vermutlich auch gewesen – nach der Formel, Säge gegen Holz. Du, Firma, fällst und transportierst ab. Dafür darfst du das Holz vermarkten.
Heute, da Sie diese Zeilen lesen, wäre bereits freie Sicht bis an den Horizont. Nur so mancher Baumbewohner würde verzweifelt Ausschau halten nach einer neuen Bleibe. Das gilt übrigens auch für jenes Wegstück entlang des Baches Kleine Sülze, an dem etliche hinfällige Baumgreise stehen. Die können ja nun wirklich weg, mag Herr Ahnungslos denken. Dabei genießen gerade solche Baumruinen ganz besonderen gesetzlichen Schutz. Sie sind Lebensraum für viele Vögel und Kleinlebewesen, die nirgendwo sonst leben können und leben wollen als im absterbenden Holz. Sobald solche besonderen Plätze ordentlich erfasst sind, genießen sie gesetzlichen Biotopschutz.
Inzwischen hat es in letzter Minute Kontakte zwischen Gemeinde, Landkreis, und Bürgerinitiative gegeben. Eine Art Notbremsung! Das Schicksal der Pappeln ist nicht mehr „alternativlos“, wie man in der Politik zu sagen pflegt. Gemeinde und Landkreis sehen Anlass, das Vorhaben zu überprüfen, auch auf Grund der Gesetzeslage. Die Fällung ist über den Winter ausgesetzt. Und die Interessenten und Kontrahenten werden sich nicht nur – wie bisher im Pappelstreit – Briefe schreiben, sondern auch miteinander reden.