Nee, kein Lesefehler und auch kein Druckfehler. Da begrüßt mich im Advent 2014 am Hauptbahnhof tatsächlich das neue Weihnachtslied „Ihr Rinderlein kommet“, auf einem Plakat im Hauswandformat, mit eindeutigem Bildmotiv: Nikolausmütze und weißes Struwwelhaar beschirmen einen Rindfleisch-Burger unbekannter Provenienz.
Mein stiller Fluch ist nicht druckreif. Er gilt den Werbefuzzis eines Lieferservice, dessen sich landesweit eine Menge Einzelbräter,- Frittierer und -Bäcker bedienen.
Wortspielchen dieser Qualität schüttelt jeder Muttersprachler weltweit ziemlich mühelos aus dem Ärmel. Ein harmloses Vergnügen, selbst wenn´s mal etwas verletzend oder schlüpfrig klingt. Wir hängen unsere privaten Buchstabenspielereien ja nicht an die große Glocke.
Aber das hier ist die neue schäbige Masche: Kohle machen mit der Resteverwertung christlicher Volksfrömmigkeit, ohne Rücksicht darauf, wie viele Pizzakunden doch etwas dagegen haben, christlich-weihnachtliche Kinderlieder einfach so in die Werbetonne zu kloppen. Protest von den vergreisten Kirchen ist nicht zu erwarten. Die Religionslosen finden´s hoffentlich geil. Und die Muslime haben sowieso längst verstanden, dass die Deutschen für die Religion ihrer Vorfahren nur noch Hohn und Spott übrig haben.
Die Sache ist für mich im Vorübergehen erledigt. Oder doch nicht ganz. Mit quasi professionellem Interesse nehme ich noch einmal das Gesamtmachwerk in den Blick – und entdecke erst jetzt den dicksten Hammer: unter dem Rinderlein-Gag steht in schlechtem, weil missverständlichen Deutsch die fiktive Erfolgsmeldung: „Jetzt Christus geliefert: von einem unserer 10.000 Lieferdienste.“
Das ist nun wirklich Verarschung total. Jeder Zeitgenosse, dem Leben und Sterben Jesu von Nazareth wichtig und kostbar ist, soll locker wegstecken, dass Werbetexter aus ihm ein Burger mümmelndes Kleinkind kneten. Dass sie im übrigen den Unterschied zwischen dem Personennamen Jesus und dem Bekenntnisnamen Christus nicht kennen, ist nicht strafbarer Dummheit zuzuschreiben.
Ohne das kleinste Körnchen Ironie will ich den Textern noch dazu gratulieren, dass sie ihre Beleidigung Jesus nahestehender Lieferservice-Kundinnen und -Kunden hier in Deutschland an die Mauern kleben. In muslimischen Gesellschaften wäre das bei sinngemäß angepasstem Gag, Mohammed statt Christus, ein zuverlässiges Todesurteil. Da lobe ich mir unsere Rechtsordnung samt der Gewissheit, dass mein Gott nie um einen irdischen Gotteslästerungsparagraphen gebeten hat.
Allerdings wünsche ich der Agentur und ihrem Auftraggeber doch die eine oder andere Klartext-Reaktion aus dem Kreis der angeblich 10.000 potentiellen Bethlehem-Lieferanten. Unter Deutschlands Pizzabäckern gibt es vermutlich noch diesen oder jenen Katholiken, der sich nicht so einfach lächerlich machen lässt. Und die evangelische Wirtin wird sich auch finden.
Ich selber will es mit der Frustabbau-Methode halten, die der angebliche Burger-Fan Jesus empfiehlt. Den Staub von den Füßen schütteln und die Sache meinem Gott überlassen. Der ist zu unser aller Glück die Nachsicht und Großmut in Person.