Selbst auf meinem bescheidenen in die Jahre gekommenen Röhrenfernseher ein eindrucksvolles Bild: am Kölner Dom erlischt die abendliche Rundum-Beleuchtung. Kein Kurzschluss, sondern volle Absicht. Der geistliche Hausherr will dem Kölner PEGIDA-Ableger – Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes – diese wahrhaft prestigeträchtige christlich-abendländische Kulisse für seine Anti-Islam-Demo madig machen. Genehmigt ist genehmigt, aber kein Ordnungsamt kann die Domgemeinde zwingen, eine wenig menschliche und zudem historisch völlig unbedarfte Kundgebung in ein freundliches, scheinbar zustimmendes Licht zu hüllen.
Nur wie, frage ich mich, sind die geistlichen Herren auf diese ebenso einfache wie durchschlagende Idee gekommen? Papst Franziskus wird nicht angerufen haben. Der hat soviel um die Ohren, dass er sich kaum um ein paar unblutige fremdenfeindliche Aufläufe nördlich der Alpen kümmern kann; auch wenn sie in der guten Stube seines angeblich wohlhabendsten Bistums vonstatten gehen. Und „Mutti“? Die ist evangelisch, noch dazu Pastorentochter. Passt auch irgendwie nicht.
Vielleicht war es auch nur der Cheftechniker von 1.FC Köln. Was, wenn der Mann Mustafa heißt und seine Eltern einst aus Anatolien zu Ford nach Köln gekommen sind, er ans Band, sie in die Kantine? Sohnemann, Dipl.Ing. mit notorisch kölschem Akzent sitzt für seine Partei im Bezirksvorstand und hat in der letzten Sitzung ein engagiertes Loblied auf den Mindestlohn gesungen. Mustafa muss dem Herrn Domkapitular gesteckt haben, wie eindrucksvoll die abendlichen Proben mit der Flutlichtanlage im Stadion ablaufen. Einfach den Schalter umlegen, und schon bekommt Geißbock Hennes der Soundsovielte einen gewaltigen Schreck. Plötzlich finster wie im Leopardenarsch – da kriegt jeder Ziegenbock das große Schlottern und versteckt sich augenblicklich im dichtesten Dornengestrüpp. Aber eher wird der Leopard zum Vegetarier, als dass sich die Domherren von einem gelegentlichen Moscheegänger sagen ließen, wie sie Deutschlands Spitzendom zu präsentieren hätten.
Also, wer war´s? Klar, das Datum hätte mir gleich auffallen müssen! 5. Januar abends, Vorabend des Dreikönigstages! Spätestens dann werden die Geister der eigentlichen Hausherren dieses Gotteshauses munter. Wenigstens im Erzbistum am Rhein gehört es hoffentlich noch zum Allgemeinwissen, dass der Dom den Reliquiensarg der drei so wunderbar legendären Könige beheimaten darf, die es Jahr für Jahr mittels ihrer Abgesandten auch im nachchristlichen Deutschland noch zu hunderttausendfachen Hausbesuchen bringen, vom Bundespräsidenten bis zur alleinerziehenden Hartz IV-Mutter.
Die Liebe des Gottesvolkes zum Jesuskind hat sie zu dem gemacht, was sie nach biblischer Quellenlagen überhaupt nicht sind: Könige und drei an der Zahl. Was sie wirklich waren, lässt sich nachlesen bei Matthäus: Orientalen, noch um einiges östlicher als der kleine Orientale Jesus; am Wohl von Welt und Menschheit interessiert. Das verrät die Berufsangabe „Magier“, sprich Zukunftsforscher. Und fröhliche Geber, wie Gott sie lieb hat: kein Sonderangebot-Mitbringsel vom Grabbeltisch, sondern Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und was sie vielleicht außerdem waren, verrät ein frühmittelalterlicher Autor um das Jahr 720: „Omnia autem vestimenta eorum Syriaca sunt.“ Ihre Kleidung, heißt das, sei von syrischem Stil gewesen.
Das erspart den PEGIDA-Fans zwar die unangenehme Vorstellung, dass ihnen ausgerechnet ein Schwarzer, Klartext ein Neger, der legendäre Balthasar, beim Nörgeln für das Abendland zuschaut. Fuscus, schwarz, soll eigentlich nur der Bart gewesen sein. Aber ob sie das wirklich gewollt haben? Sich unter die Schirmherrschaft von drei Orientalen zu begeben, wie sie heute den ums Vaterland Besorgten von Dresden bis Köln schon mit ihrem Äußeren auf die Nerven gehen? Der feste Wohnsitz der orientalischen Heiligen Drei Könige ist wirklich keine clevere location für ängstliche deutsch-nationale Wagenburg-Demos.
Ja, die Heiligen Drei Könige werden sich zu Wort gemeldet haben. Durch all das Dickicht von Legenden, kluger Volksfrömmigkeit, mit Wahrheit gesättigten Bildgeschichten hindurch. Die Drei erinnern ihre Quartiergeber und alle Christenmenschen dieses Landes an einen anderen klassischen Satz unserer abendländischen Glaubensgeschichte: „Ex Oriente Lux.“ Das Licht kam aus dem Osten. Nicht nur das Sonnenlicht jedes Tages. Auch die Bergpredigt Jesu und die Erfahrung, dass er lebt und ruft; dass er einen Weg weist zu Gerechtigkeit, Frieden und der Bewahrung der Schöpfung. Nicht nur unsere Wirtschafts-, Kultur- und Medizingeschichte ist nicht zu schreiben ohne das Licht aus dem Osten und seine Trägerinnen und Träger. Gerade die christlichen Abendländer verdanken sich überwiegend Lichtträgern, die heute mehrheitlich die Pässe klassischer Flüchtlings-Herkunftsländer in der Tasche hätten. Ginge es nach PEGIDA, Kaspar, Melchior und Balthasar wären klassische Abschiebekandidaten. Gott sei Dank haben sie sicheres Kirchenasyl.
Aber vielleicht ist da ein Packpferd des königlichen Suchtrupps von Bethlehem doch etwas mit mir durchgegangen. Am Ende spricht doch vieles dafür, dass der Herr des Lichtschalters im Dom für seinen Handgriff selbst erleuchtet genug war. Wie gesagt : „Ex Oriente Lux.“