PEGIDA nervt, auch die Damen und Herren in Staatskanzleien und Kanzlerinnenamt. Irgend etwas wird man tun müssen, um diese rufschädigenden Dumpf-Demos endlich leerlaufen zu lassen. Einem jaulenden Hund oder einer mauzenden Katze gibt man was zu fressen. Das stellt sie meist ruhig.
Entsprechend könnte man vielleicht jedem Islam-Verächter pro nachgewiesener Demo-Teilnahme einen Steuerfreibetrag von 100 € spendieren. Aber diese Bürokratie! Außerdem kostet das. Dann lieber die kostenlosen Placebos. „Der Islam gehört nicht zu Sachsen“ Der spießbürgerliche Kalenderspruch des sächsischen Ministerpräsidenten ist kostenlos – aber etwas zu glitschig anbiedernd. Da muss man wohl noch eine Schippe drauflegen, damit sich die Abendländler wieder normale Montagabendbeschäftigungen suchen. Etwas Handfestes, Kostenloses, Gerichtsfestes, garantiert Mehrheitsfähiges am besten.
Ich fürchte, ein solcher Beruhigungshappen für PEGIDA-Fans ist in Vorbereitung. Meine böse Ahnung wird genährt durch einen Rundumschlag des höchsten deutschen Flüchtlingsbeamten gegen Kirchenasylaktionen deutscher Kirchengemeinden. Es ist unwahrscheinlich, dass der Herr Präsident mal eben so einer überregionalen konservativen Tageszeitung ein messerscharfes Interview gibt, dass die Kirchen recht unverblümt des massenhaften politisch motivierten Missbrauchs des Kirchenasyls bezichtigt: eines Rechtes, noch dazu, das in unseren Gesetzbüchern gar nicht existiert, sondern seit einer Generation nur als humanitärer Notbehelf im Regelfall geduldet wird. Der Herr Präsident darf sich des tosenden Beifalls der Dresdener Spaziergänger sicher sein, ob er sich nun vorher bei seinem Minister rückversichert hat oder nicht.
Gewissensentscheidung im Einzelfall oder politische Systemkritik: nur in den wenigen Einzelfällen, die absolut nichts mit den EU-internen Asyl-Richtlinien zu tun haben dürfen, sieht der Präsident Anlass, Kirchenasylaktionen auch künftig noch zu tolerieren.
Aber wenn Menschen zwischen die Mühlsteine der Interessenkonflikte zwischen EU-Südstaaten und Deutschland geraten, bleibt das Gewissen gefälligst ausgeschaltet. Das Menschen-Ping-Pong zwischen Europa-Süd und Europa-Nord geht Christinnen und Christen nichts an. Widerstand gegen innereuropäische Abschiebungen – korrekt und viel netter „Überstellungen“ genannt – identifiziert der Präsident als rechtsmissbräuchliches Motiv bei der Mehrzahl aller aktuellen Kirchenasyl-Aktionen.
Was, wenn sie nicht ab sofort die Finger davon lassen, darüber schweigt der kluge Präsident. Aber wir können ja selbst bis drei zählen und kennen die Regeln unseres Rechtsstaates. Eine Ausländerbehörde, die überstellen darf, ist auch gehalten, das zu tun; nötigenfalls mit Amtshilfe der Polizei. Unsere Freunde und Helfer würden nicht lange suchen müssen. Denn Kirchenasyl-Aktionen sind immer öffentlich, müssen es ja sein, um den erhofften Nachdenkeffekt zu erzielen und Bürgersolidarität zu wecken.
Wer in PEGIDA-Kreisen Punkte sammeln will, wird nicht mehr tun müssen, als bei nächster Gelegenheit vor einem Haus der Kirchen irgendwo in Deutschland eine kleine Karawane Polizei- Mannschaftswagen vorfahren zu lassen. Wenn dann noch die Arbeitskleidung ein wenig martialisch ausfällt und die Fotos der abgeführten Schüblinge oder Überstellungs-Kandidaten ein wenig dramatisch, dann steht das Bild des verantwortlichen Landes-Innenministers ab sofort in der Ruhmeshalle des reaktionären Abendlandes. Und die ob ihrer Flüchtlingssolidarität verabscheuten Kirchen kriegen auch noch ihr Fett ab.
Die Versuchung, nach diesem Rezept ein Süppchen zu kochen, wird in den nächsten Monaten groß sein. Hoffen wir, dass die Vernunft größer ist. Und selbstverständlich, dass keine christliche Gemeinde in Deutschland verzweifelten Menschen ein Kirchenasyl anbietet, ohne vorher ihren Glauben, ihre Vernunft, ihre Motive, ihre Kräfte geprüft zu haben – im Gespräch und im Gebet.