Ohne Abstriche: das diesjährige Motto der Evangelischen Fastenaktion „Sieben Wochen Ohne“ gefällt mir: „Riskier was, Mensch! Sieben Wochen ohne Vorsicht“ Die biblischen Risiko-Typen von David über Daniel bis zum action-verdächtigen Leben des Paulus haben sich in meiner Kindheit gleichrangig gemischt mit den Risiko-Typen meiner Abenteuerbücher aus dem Nachkriegsmilieu oder einigen Indianerbüchern. Eine Tante in der „Ostzone“ hat sie für meine Geburtstage gesucht und in den Westen geschickt.
Prophet oder Priester? Mein Favorit war immer der Prophet, ohne Beamtenstatus und „Advocard“ in der Tasche. Das Erwachsenenleben hat mir dann viele Lehrstunden in Sachen „Leben ohne Vorsicht“ geboten und hin und wieder auch Gelegenheiten zum schlichten Mitmachen. Was also hindert mich, mich auf diese „Sieben Wochen Ohne 2013“ zu stürzen wie Lumpi auf den Knochen?
Es ist das bestimmte Gefühl, dass für mich etwas anderes dran ist. Nicht die mehr oder weniger spannende, im schlimmsten Fall rechthaberische Bestätigung dessen, was allerlei Konflikte nah und fern mich gelehrt haben: risikobereite Menschen sind Wegbereiter! Nicht nur anfangs verkannte Erfinder und Entdeckerinnen. Mehr noch die Frauen und Männer, die sich praktizierter Unmenschlichkeit und Lebensfeindlichkeit in den Weg stellen, solange noch niemand anderer da ist, erst einmal sie selbst, wenn es sein muss, allein.
Diese kostbare Tatsache steht auf der Habenseite von Menschheit und Schöpfung. Aber das allein wird nicht reichen. Die mutigen Risiko-Trägerinnen und -Träger könnten im 21. Jahrhundert, dem Risiko-Jahrhundert schlechthin, dastehen wie die sprichwörtlichen „Häuptlinge ohne Indianer“. Es braucht viele hundert Millionen Menschen, mindestens, die aus nüchterner Einsicht das Richtige tun und das Falsche unterlassen. Anders ist der Gordische Knoten aus politisch-ökonomisch-ökologisch-moralischen Fehlentscheidungen, in dem wir uns verheddert haben, wohl nicht mehr zu lösen.
Die Un-Vorsichtigen, unentbehrlich, wie sie sind, sind Pfadfinderinnen, Lotsen für die, die zur Vernunft kommen müssen, spät, aber noch nicht zu spät. Eben nicht mehr weiter leben „auf Deubel komm raus“; volles Risiko fürs Klima – zweimal im Jahr wird man ja wohl an ferne Strände jetten dürfen. Volles Risiko für ferne Hungerleider, – sollen unsere Schweine etwa von Kartoffelschalen satt werden? Volles Risiko für den Frieden – schließlich produzieren wir die Waffen nur, und schießen nicht damit. Volles Risiko für die Meere – schließlich leben wir im Binnenland. Volles Risiko für die letzten Tropenwälder: oder wollen Sie etwa auf preiswerte Pflanzenöle und Biosprit verzichten? Eine Risiko-Litanei ohne Ende.
Unsere gelebte Risiko-Bereitschaft gleicht der Verrücktheit jener Typen, die sich eine Pistole fürs „Russisch Roulett“ an den Kopf hielten. Risikobereitschaft? Selbstverständlich, nur die völlig Falsche.
Deshalb ist das meine private Versuchsanordnung für die Fastenzeit 2013: Weltbürger-Training durch tägliche Risiko-Analyse und Check-Up mit meinem Tun und Lassen. Meine Umwelt im Dorf und in der benachbarten Stadt werden mir helfen, dazu allerlei Medien und das Unvorhergesehene, das passieren wird, so sicher wie das Amen in der Kirche.
Als unprophetischer Mensch leiste ich meinen Mitmenschen und Mutter Erde sicherlich den nützlicheren Dienst durch Risiko-Abbau als durch die Suche nach ehrenwerten „Riskier-was“-Situationen.
Der zukunftsfähige Weltbürger: massenhaft wird er gebraucht. Auf Geborgenheit und Lebensglück soll er nicht verzichten müssen. Das wäre lebensfremd bzw. ein pures Katastrophenszenario. Aber ohne ihn bleiben die kleinen und großen Prophetinnen und Propheten tragische Gestalten.