Apostolisches Glaubensbekenntnis (13)
20.07.2014
„Auferstehung der Toten und das ewige Leben“
Ein halbes Jahr Aushilfspredigten hat es gebraucht, um einigermaßen sorgfältig das Apostolische Glaubensbekenntnis, fester Bestandteil jedes Gottesdienstes, durchzuackern. Eine kurze Zeit verglichen mit den Generationen, die die junge Christenheit gebraucht hat, sich auf diese Aussagen Wort für Wort zu einigen – seinerzeit auf Latein. Heute wäre wohl Englisch die Sprache der Wahl. Wer weiß, morgen vielleicht Chinesisch. In der zwischen unsern großen Kirchen abgesprochenen deutschen Übersetzung endet das Glaubensbekenntnis mit den Worten: „Ich glaube an die Auferstehung und das ewige Leben. Amen.“
In knappem Latein sind das ganz vier Worte. Credo in „carnis resurrectionem, vitam aeternam“. Und manches spricht dafür, dass die ersten beiden Worte „carnis resurrectionem“ der allerersten Christengeneration noch gar nicht als Bestandteil ihres Christus-Bekenntnisses in den Sinn gekommen wäre.
„Carnis resurrectionem…“ Wozu ausdrücklich die Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten bekennen, wenn man die Wiederkunft des auferstandenen Christus zu den eigenen Lebzeiten, heute, morgen, jederzeit erwartet? Selbst erleben dürfen, was die Jesus-Leute am Ostertag und danach erlebt haben – darauf waren die Herzen ausgerichtet. Das Ausbleiben dieses Tages der Wiederkehr Christi, der immer öfter eintretende Tod als Teil des Lebens der Jesus-Gemeinde hat die Frage nach dem Anteil der Gestorbenen am Reich Christi ganz von allein immer wichtiger werden lassen.
Für Paulus wurde daraus ein zentrales Thema seiner Seelsorge. Paulus wusste, dass Jesus selbst sicher war, sein Leben werde auch jenseits des irdischen Todes in Gottes Hand geborgen sein. „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein,“ tröstet er den Mann, der neben ihm selbst am Kreuz stirbt.
Im Streitgespräch mit den Sadduzäern, die das Hohepriesteramt am Tempel in Jerusalem kontrollierten und den Auferstehungsglauben verwarfen, redet Jesus unmissverständlich: in der Auferstehung ruft Gott uns nicht einfach zur Fortsetzung des irdischen Lebens. Da werden keine Ehen fortgesetzt, die der irdische Tod geschieden hat. Kennzeichnend ist eine Gemeinschaft mit Gott, wie sie Engeln eigen ist.
Eine radikal andere Existenz, die allein Gott gestalten und schenken kann – dem Wesen nach ein unzerstörbarer Bund zwischen Schöpfer und Geschöpf. Der Seelsorger Paulus erklärt das der durch Sterbeerfahrungen irritierten Gemeinde mit dem Saatkorngleichnis. „Es wird verweslich gesät, und es steht unverweslich auf.“ Die verbindende Kraft hüben wie drüben ist Gott – kein Gott der Toten, sondern der Lebenden – so Jesus im Streitgespräch mit den Sadduzäern (Markus 12, 18ff).
Carnis resurrectio, ja, ja, da schimmert ein lateinisches Hauptwort durch, das wir aus ziemlich anderen Zusammenhängen im Ohr haben: carne, Fleisch, Chili con Carne. Im theologischen Zusammenhang ist damit unverblümt die körperliche, die physiologische Seite unserer Existenz aufgerufen. Das, was in die Totenstarre fällt, was verwest, was dennoch zunächst einmal unser Bild in der Erinnerung des Weiterlebenden bestimmt. Die deutsche Fassung „Ich glaube an die Auferstehung der Toten“ bleibt immer noch eine heftige Zumutung für den naturwissenschaftlich dressierten Geist. Aber sie hört sich um einiges weniger provozierend an als eine sinngemäßere Übersetzung etwa in dieser Richtung: „Ich glaube an die Auferstehung meiner Leiche.“ Dabei ist ja im Kern etwas Wunderbares gemeint, verpackt in etwas unbeholfene Bildersprache: wir trauen unserm Gott zu, dass er uns mit unserm Erdentod nicht verwirft wie ein Spielzeug, an dem er die Lust verloren hat. Wo Gott einmal Liebe investiert hat, drückt er nicht einfach auf die Löschtaste, wenn eine Amtsperson den Totenschein unterschreibt. Unser Gott nimmt unser Ich, das wir liebhaben dürfen, mit unserm Tod an sich und zu sich. Und nicht nur unseres und das der Glaubensgeschwister unserer Generation und Religion.
Es war eine der großen geistlichen Entdeckungen der jungen Christenheit: schrittweise wurde sie gewiss, dass unser Gott alle Generationen, die unter seinem Himmel gelebt haben, zu sich ruft, über die Grenzen der Zeit und sogar der Religionen hinweg. Halt durch Hoffnung, nicht nur für die Toten der ersten Jesus-Gemeinde, sondern für alle Kinder Gottes. Die entschränkte Auferstehungshoffnung ist zum irdischen Bild dafür geworden.
Der Satz „Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staube“ steht auf der anderen Seite derselben Medaille – und hat sein Gutes wie alles, was dem Leben dient.
Umgekehrt habe ich nicht vergessen, wie in mir der Widerspruch gegen gewisse Erweckungsprediger der Zeltmission erwachte, als sie uns Jugendliche darauf festnageln wollten, ohne Hinwendung zu Jesus seien alle Menschen verloren, egal, wann und wo sie gelebt hätten. Nur eines von beidem kann wahr sein. Und da verlasse ich mich lieber auf die Überzeugung, für die unser Glaubensbekenntnis steht.
Das ewige Leben! Der dicke Brocken zum Schluss. Mit direktem Artikel, „das“ ewige Leben, als gäbe es nur eines – und jedes Kind müsste eigentlich wissen, was das ist. Dabei ist die Bildergalerie in unsren Köpfen und in unseren Träumen so verwirrend wie nur irgend etwas. Da ist der unsterbliche Dienstmann vom Münchener Hauptbahnhof, die Comic-Figur, den es davor graust, auf immer und ewig mit einer Harfe im Arm „Lujahh“ singen zu müssen, daneben finden sich die grellbunten Familien-Idylle-Bilder aus Zeugen-Jehovas-Heften, das himmlische Jerusalem des Sehers Johannes, die Paradies-Oase vom Beginn des gemeinsamen Weges von Schöpfer und Geschöpf, die Vorstellung vom Patriarchen-Tod „alt und lebenssatt“, ganz ohne Himmel, die moderne naturwissenschaftliche Beschäftigung mit den Bedingungen des Lebens, den Fragen von Anfang und Ende.
Und wir bekennen einfach so: ich glaube an das ewige Leben! Wer weder Gott die Karten legen will noch sich selbst, hält sich für diese Schlusspointe des Glaubensbekenntnisses am besten an Paulus: selbst Christus wird am Ende Gott untertan sein, „damit Gott sei alles in allem“ (1. Korinther 15,28). Wir in Christus, Christus in Gott, auf ewig untrennbar.
„Amen.“ Im Konfirmandenunterricht hörten wir, das entspräche dem feierlichen „How, ich habe gesprochen“, mit dem ein Indianerhäuptling seine Entscheidung zwischen Kriegsbeil und Friedenspfeife bekannt gab – wohl erwogen und verbindlich.
Auch wenn das nicht ganz dem hebräischen Sprachgebrauch, also dem Ursprung dieser Formel entspricht, Schall und Rauch ist dies kleine Wort nicht. Man sollte es besser verschlucken, wenn einem dieses etwa 1600 Jahre alte Bekenntnis zu schwer im Magen liegt. Denn Amen heißt nun mal: „Dazu stehe ich, so wahr mir Gott helfe.“ Wohl wissend, dass man das Leben, seine Ziele, seine Prioritäten auch völlig anders angehen kann. Wohl wissend, dass ich mit meinem „Amen“ in eine gnädig beschränkte Mithaftung für das historische und zeitgenössische Sündenregister der Kirche Jesu Christi eintrete und in ihre Pflichterfüllung der Liebe und der Gerechtigkeit.
Auch das noch nach reichlich sechs Monaten des Nachdenkens über das „Apostolische Glaubensbekenntnis“: die Herausforderung „Bekenntnis“ bleibt immer auf der Tagesordnung der Kirche. Ich hatte in den letzten Monaten nicht nur einmal den Eindruck, dass unser „Apostolicum“, wie es mit Kirchenkürzel heißt, doch ziemlich aus der Zeit gefallen ist, was Bildersprache und Welterfahrung angeht. „Schwerter zu Pflugscharen“ hatte da deutlich mehr Pep, wenn auch geringere theologische Reichweite. Ich hätte schon Lust, in einer anderen Gemeinde, in der ich vielleicht demnächst ein wenig aushelfen darf, so ein paar Bekenntnisse unserer Zeit nacheinander vorzustellen.