Beitrag für den „Gemeindebrief“ einer Ev. Kirchengemeinde in einer Stadt in Sachsen-Anhalt
Gestern bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Die Non-Stop-Berichterstattung über den gerade angekündigten Rücktritt des deutschen Papstes Benedikt XVI hat mich fast den ganzen Nachmittag vor dem Fernseher festgehalten. Was sich da an Respekts- und Sympathiebekundungen für einen klugen und mutigen alten Mann angesammelt hat, wird seiner Kirche zugute kommen – recht so!
Bis zum 28. Februar ist dem abtretenden Papst jetzt globale Medienpräsenz garantiert. Auch die ältesten Dokumentationen über seine Amtszeit werden x-mal über die Sender gehen. Dann folgt das Konklave mit begleitender journalistischer Kaffeesatzleserei. Wenn die Christenmenschen rund um unsere beiden Kirchen dann diese Ausgabe des „Kirchenfensters“ aufschlagen, wird ein neuer Papst schon sein erstes österliches „Urbi et Orbi“ via Bildschirm an Milliarden Zeitgenossinnen und Zeitgenossen geschickt haben, an seine eigenen Leute, ihre nicht-katholischen Mitchristen und Ungezählte, die sich die Show nicht entgehen lassen.
Zugegeben, Papstrücktritt und Konklave gibt’s nicht alle Tage. Aber auch wenn die Kirchengeschichte ihren normalen Lauf nimmt, sind die Spielregeln sonnenklar: im Medienzeitalter liefert die katholischen Kirche die christlichen Top-Events. Die Gestalt dieser Kirche als globale absolute geistliche „Monarchie“, mitsamt den Bildern, die sie produziert einerseits, und die Bedürfnisse der Redaktionen andererseits garantieren dafür.
Kameras und Journalisten sammeln sich freilich auch dann vor katholischen Türen, wenn Schwäche und Schuld von Kirchen-Verantwortlichen zu klären sind. Darunter Missstände, die mit Gesetzen und Lebensformen in Verbindung gebracht werden, die in unserer Schwesterkirche verbindlich sind. Am Ende, und das ist dann mehr als ein Bonmot, treten sogar Leute aus Protest gegen päpstliche Gesetze aus unserer Kirche aus.
Aber es bleibt dabei: auch da, wo Kirche ein spektakuläres und respektables Bild zeigt, besorgen sich die Medien ihre Geschichten allermeist bei unseren katholischen Glaubensgeschwistern.
Versuche, daran wesentlich etwas zu ändern, wären verlorene Liebesmüh. „Evangelisch“ ist aus einer ganzen Reihe von Gründen, darunter etlichen guten, nicht besonders telegen. Vergleiche nur mal unsere Landessynode mit ihrem durch und durch zivilen Outfit, dafür aber einer Mehrheit ehrenamtlicher Frauen und Männer, die wirklich das Sagen haben, mit der knalligen Optik einer katholischen Bischofssynode. Ist doch klar, was den Kameramann mehr beeindruckt.
Grund für uns, uns an den Katzentisch des Herrn Jesus zu setzen? Nie und nimmer! Erstens gibt es diesen Katzentisch nicht. Und zweitens: wenn ich die Berichte vom Erdenweg Jesu von Nazareth richtig lese, dann waren seine Werbeträger die kleinen Leute; nur die kleinen Leute, deren Herzen er erreicht, deren Lebensmut er wieder aufgeweckt hat. Nicht selten hat er diese Leute sogar zu bremsen versucht; vergeblich, weil der Mund überfloss von dem, wovon das Herz voll war.
Diesen Liebesdienst im Einzelfall zum Kerngeschäft unserer Gemeinde zu machen, ist kein Werbetrick, sondern unser Auftrag. Keine Werbeagentur kann uns ein besseres Konzept verkaufen, um Gesprächsthema unserer Mitmenschen zu werden.