Grüß Gott, liebe Christenmenschen,
heute ist mir wahrlich nicht zum Scherzen zumute! Wir haben Schlimmes durchgemacht, unsere ganze Familie. Eine volle Woche lang stand es für unsere Kinder auf Tod und Leben. Und das nur, weil wir nicht mit der Unvernunft der Christenmenschen gerechnet haben.
Dazu müßt ihr wissen, daß wir Mäuse es mit der Kindererziehung recht genau nehmen. Einer meiner Erziehungsgrundsätze lautet: „Wer sein Kind liebt, schickt es beizeiten aus dem Nest“. Felicitas, mein Mäuseweib, ist in diesem Fall ganz meiner Meinung. Schließlich bleiben unsereinem nur wenige Tage, um alles Lebensnotwendige über Katzen, Mäusefallen und Futtersuche zu lernen.
Besonders gern arrangieren wir die erste Expedition für unsere Jüngsten am Samstagvormittag. Da werkelt der Küster in der Kirche herum und knabbert zwischendurch seine Kekse. Ein wahres Krümelparadies, kann ich nur sagen. Hätte ich meine Kleinen doch nur auf dem direkten Weg zu dieser Quelle geführt! Stattdessen habe ich ruhig zugesehen, wie sie an den Altarstufen Station machten. Da lagen die beiden dicken neuen Blumensträuße für die Altarvasen und warteten auf die kundige Hand des Meisters.
Sollen sie ruhig ein Pröbchen abknabbern‚ dachte ich mir, obwohl ich mich außer eines Tannenzapfens vom Adventsgesteck an keine besonderen Gaumenfreuden aus dem Blumenladen erinnern kann. Aber wenn’s nicht schmeckt, werden sie es schon rausfinden! Am Ende denken sie noch, man wollte ihnen etwas vorenthalten.
So machen sich also meine Kleinen über die bunte Pracht her. Nicht eine Minute, da höre ich den ersten Schmerzenslaut und schneller, als ich denken kann, winden sich da sechs kleine Kirchenmäuslein in Krämpfen, sodaß mir das Vaterherz vor Entsetzen beinahe stehen bleibt. Was konnte ich tun, als Felicitas herbeizupfeifen. Zusammen haben wir dann unsere leidenden Würmchen ins Nest getragen. Wir haben sié geleckt und gewärmt und doch sind uns noch am gleichen Abend zwei gestorben. Die anderen haben mit Not und Mühe überlebt. Aber bis heute sind sie alles andere als kräftige junge Mäuse.
Nun kann ich mir einfach nicht denken, daß deirKüster uns mit den Altarblumen vergiften wollte. Auch dem Blumenhändler traue ich das nicht zu. Das ist ein freundlicher Mann und treuer Gottesdienstbesucher. Die beiden haben wohl einfach nicht gewußt, was da in ihrem Altarschmuck steckt. Eine ganze Giftküche, für Mäusekinder tödlich, für Menschenkinder wenigstens hochgradig ungesund!
Wie ich inzwischen in Erfahrung gebracht habe, verhält sich das so: immer mehr Altarblumen haben eine Reise um die halbe Welt hinter sich, bevor sie über den Blumenladen in unsere Kirche kommen: Nelken aus Kolumbien, Rosen aus Kenia und für die anschließende WeItreise werden sie mit allerlei Teufelszeug besprüht. Wie mag es um die Gesundheit der Christenmenschen bestellt sein, die täglich in diesem %Giftnebel arbeiten und anschließend vergiftetes Wasser trinken. Ich weiß auch nicht recht, was Rosen aus Kenia auf unseren Altären zu suchen haben. Dem Vernehmen nach bekommen die Menschen in Kenia mäusemäßig viele Kinder. Da brauchen sie doch wohl ihre Äcker fürs tägliche Brot.
Nein, so kann das nicht weitergehen. Im Namen von Maus und Mensch fordere ich Abhilfe. Ich will dem guten Blumenhändler ja nicht das Geschäft schädigen. Aber er wird doch wohl imstande sein, uns weniger anstößige Blumen auf den Altar zu stellen,
hofft Eure Kirchenmaus
Archiv
- Januar 2016
- Dezember 2015
- November 2015
- Oktober 2015
- September 2015
- August 2015
- Juli 2015
- Juni 2015
- Mai 2015
- April 2015
- März 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- August 2012
- Juni 2012
- April 2012
- März 2012