Kommen Sie mit, Kraniche abschießen?

 

Kommen Sie mit, Kraniche abschießen? Vielleicht zahlt der Bauernverband im benachbarten Brandenburg dem Freizeitjäger ja eine Prämie. Und sei es nur ein deftiger Umtrunk nach vollendetem Waidwerk. Weil dem Wappenvogel unserer nationalen Airline der wohlfeile und inzwischen allgegenwärtige Biosprit-Mais zu gut schmeckt, wäre der Kranich-Abschuss „durchaus ein Ansatz, über den man nachdenken kann.“

 

So verkündet es ein regionaler Bauern-Funktionär, um dann fix zurückzurudern. Er meine natürlich nicht das, was er da öffentlich vorgeschlagen hatte.

 

Immerhin, vielleicht ist der Schreck den dreisten Vögeln ja ins Gefieder gefahren und sie umfliegen das Brandenburgische künftig in weitem Bogen. In der Lüneburger Heide gibt es zwar nix zu fressen, aber auch keinen Ärger. Und die brandenburgischen Biosprit-Destillen bekommen – Pi mal Daumen – 300 gr. Tagesration pro Schnabel x 12 Tage Kranichrast auf der Durchreise in den Süden x 100.000 Vögel, das macht ca 360.000 kg, alias 360 t Mais mehr in ihre Mahlwerke.

 Gott-sei-Dank stehen einstweilen strikte Tierschutz-Bestimmungen und lebhafte Natur-Tourismus-Interessen gegen die Kranich-Ballerei. Aber so abwegig-schrill die Einladung zur Kranich-Treibjagd auch klingen mag, sie wirft ein grelles Licht auf die trügerische Heilslehre vom glücklichen Biosprit-Zeitalter.

 Unhaltbare gesetzliche Beimischungsquoten haben die Maiseinöden bis an die Horizonte explodieren lassen. Mais bringt sichere Kohle wie keine andere Ackerfrucht. Die haarsträubenden Folgen für unsere Tier- und Pflanzenwelt sind bereits x-mal von Fachleuten untereinander geschrieben worden. Aber was soll der Bauer machen, der die Daumenschrauben des Marktes schmerzhaft spürt und nicht das mühsame Brot des Bio-Bauern kauen möchte?

 So steht grus grus, besser bekannt als Grauer oder Europäischer Kranich auf seinem genetisch einprogrammierten saisonalen Wanderweg unverhofft im Schlaraffenland. Mais, Mais und nochmal Mais. Exquisites Kraftfutter, Kohlenhydrate bis zum Abwinken. Dabei bedient sich der trompetende Großvogel allerdings bevorzugt auf bereits abgeernteten Äckern – kein Wunder, wenn man seine Statur und die Undurchdringlichkeit eines agroindustriellen Maisackers bedenkt. Wenn auf dem abgeernteten Maisacker allerdings schon Wintergetreide eingesät ist, hat der Bauer Grund, sich zu ärgern. Dabei müssten ihn freilich die Ausgleichszahlungen ein wenig trösten, die er in Kranich-Rastregionen, z.B. rund um das berühmte Storchendorf Linum, heute schon bekommt.

 Nein, es ist diese absolut nicht zukunftsfähige business-Logik, die der Bauernfunktionär da stellvertretend für uns alle zum besten gegeben hat. Pfleglicher Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen? In Parlamenten und auf Kirchenkanzeln werden dazu regelmäßig wohltönende Sätze formuliert. Aber sobald eine Einnahmequelle auch nur gemindert wird, weil Tiere oder Pflanzen ihr Lebensrecht behalten sollen, kann jeder Politiker oder Funktionär mit Beifall rechnen, wenn er Fledermäuse lächerlich macht oder Kraniche abschießen will. Heute sind es die Bauern, morgen die Autofahrer, übermorgen eine andere Interessengruppe. Kraniche, Laub abwerfende Bäume, Marder in der Autofahrer-Vorstadt: sie und ungezählte andere Wesen aus der belebten Natur werden zu „Angeklagten“ und Schadensersatzfällen, wenn wir Menschen seelisch unselbstständig am Gängelband des Geldes durchs Lebens stolpern.

 Mich daran erinnert zu haben, ist das Verdienst des törichten Bauern vom anderen Elbeufer.

 

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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