Steuer-Euros für „Eurosur“?

 

 

Steuern zahlen ist zuerst einmal ein Privileg. Denn als Steuerzahler gehöre ich nicht zu den Armen, den gar nicht oder übel unterbezahlten unter meinen Landsleuten. Mein ganzes Arbeitsleben lang bin ich nie wegen Arbeitslosigkeit oder Hungerlohn aus der Steuerpflicht herausgefallen.

 

Ich durfte mir immer vorstellen, es sei auch mein Geld, mit dem Vater Staat seinen Pflichten nachkommt und dem Gemeinwohl dient. Selbst meine Rente ist hoch genug, um mich Einkommenssteuer-pflichtig zu machen. Wenn mich die Erinnerung nicht trügt, habe ich aber keinem Finanzbeamten und keiner Lehrerin meiner Kinder bei Meinungsverschiedenheiten je aufs Butterbrot geschmiert, dass sie oder er von meinen Steuergroschen lebe. Das wäre gar zu albern gewesen.

 

Trotzdem habe ich mich geärgert, heftig und mehr als einmal in meinem Steuerzahlerleben. Seit unseligen Starfighter-Tagen musste ich zum Rüstungsetat der alten Bundesrepublik beitragen; auch schon zu den Tagen als sehr konkrete „nukleare Teilhabe“ noch ein leidenschaftlicher Wunschtraum des Verteidigungsministers war. Nervenstarke Bürger haben sich damals an Rüstungssteuerverweigerung erprobt. Ich hatte als junger Familienvater nicht den Mumm dazu.

 

Nicht viel später war der kritischen Berichterstattung zu entnehmen, dass alle Steuerbürger mittelbar zu Sponsoren der boomenden Atomenergie-Branche werden würden. Eine Rechnung, unter die bis heute kein Schlussstrich gezogen werden kann.

 

Nur zwei Posten von einer erheblich längeren Liste von steuerfinanzierten Staatsausgaben, die bei mir blanken Zorn ausgelöst haben. Staatsausgaben, die symbolisch und tatsächlich für politische Weichenstellungen standen, die ins Verderben führen konnten.

 

Jetzt, auf meine alten Tage, stellt sich dieser Steuerzahlerzorn unvermittelt noch einmal ein. Pünktlich zum 1. Advent 2013 melden die Medien, dass die EU ihr high-tech-Grenzsicherungssystem „Eurosur“ in Dienst gestellt habe. Um die Größenordnung dieses paneuropäischen Flüchtlingsabwehrprojektes zu unterstreichen, nennt der Nachrichtensprecher einen Multimillionen-Betrag, den Brüssel dafür ausgibt. Die exakte Summe habe ich vergessen. Aber da geht es wirklich nicht um ein paar flinke Schiffchen und ein paar Hubschrauber. Alles, was für teures Geld auf Erden, im erdnahen Weltraum und im Netz miteinander verkoppelt werden kann, soll uns die Habenichtse aus dem Süden und Osten künftig vom Leibe halten. Ich bilde mir ein, dass es dem Nachrichtensprecher ein wenig unangenehm ist, „Eurosur“ als Seenotrettungsprogramm für leichtsinnige Bootsflüchtlinge verkünden zu müssen. Den einen oder anderen überladenen Seelenverkäufer künftig rascher orten zu können, mag ein Nebeneffekt sein. Das Ziel ist ein anderes: ein Mittelmeer ohne Flüchtlingsboote.

 

Es wird nicht klappen, solange das Überlebensmotto der „Bremer Stadtmusikanten“ in Kraft ist. „Etwas besseres als den Tod findest du überall“. Und ich will diese unmenschliche politische Torheit „Eurosur“ nicht mit bezahlen müssen. Ich muss es aber. Meine Steuerpflicht erinnert mich rüde daran, dass es in unserer Welt mit ihrem Sozial- und Gerechtigkeitsgefälle keine Weiße Weste für Andersdenkende gibt. Mit gefangen, mit gehangen. Dabei können wir aus der Geschichte lernen, dass noch jede skandalöse Wohlstandsfestung gefallen ist, wenn sie ihre Tore nicht rechtzeitig der Vernunft geöffnet hat.

 

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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