Nomen est Omen. Seit jeher versuchen wir Eltern, unseren Kindern durch die Wahl des Vornamens einen Segenswunsch mit auf den Lebensweg zu geben. Das darf ich auch den Eltern des Präsidenten von Nigeria, der volkreichsten Nation Afrikas, unterstellen. „Goodluck“, zu deutsch „Viel Glück“, nannten sie ihren Kleinen.
Seine politische Karriere könnte er als Erfüllung der elterlichen Wünsche deuten. Staatspräsident eines großen Landes, das im weltweiten Vergleich wirklich nicht zu den Habenichtsen gehört. Ich sage nur: Öl!
Doch Präsident Goodluck Jonathans Name hat in den Ohren einer unbekannten, aber nicht kleinen Zahl seiner Landsleute einen erschreckenden, Unglück verheißenden Klang bekommen. Denn „Viel Glück“ Jonathan hat im Januar 2014 Nigerias neues Anti-Homosexuellen-Gesetz unterschrieben. Es droht für einvernehmliche homosexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen Strafen an, wie sie bei uns nur bei Kapitalverbrechen fällig werden: zehn Jahre Kerker. Schlimmer noch: im muslimischen Norden des Landes, wo die grausame Scharia geltendes Recht ist, kann aus afrikanischem Gefängnis im Handumdrehen die Todesstrafe durch Steinigung werden.
Ob das Gesetz dem Präsidenten eine politische Herzensangelegenheit war, oder eher ein Akt kalkulierter Imagepflege bei Christen und Muslimen, die beide mehrheitlich von Homophobie geschüttelt werden, ich weiß es nicht.
Was ich wissen kann, was sich durch Weglegen der Zeitung nicht einfach wegwischen lässt: die Hatz ist eröffnet. Wieder einmal. Die Tradition des Blutvergießens beim Austrag innergesellschaftlicher Konflikte in Nigeria lässt Furchtbares erwarten. Egal, ob ich den Anteil homosexuell orientierter Menschen unter den 150 Millionen Nigerianern mit drei oder zehn oder wie viel Prozent sonst annehme, immer sind es viele Millionen Bürgerinnen und Bürger, die ein Unterzeichnerstaat der UN-Menschenrechtskonventionen mit einem Federstrich in Angst und Schrecken versetzt.
Will ich dem das Wenige entgegen setzen, was ein Bürger Deutschlands vermag, dann muss ich mindestens zweimal die Grenzen meiner Erfahrungen und Gefühle überschreiten:
Freunde habe ich in ihrem Kreis gefunden. Aber Sehnsüchte und Glücksgefühle homosexuell erlebender Menschen bleiben mir verschlossen.
Freunde habe ich auch unter Muslimen gefunden. Aber der fromme Fanatismus der Killerkommandos der Boko Haram-Sekte in Nigeria erinnerte an das Schlimmste aus der Geschichte der Gewaltverbrechen im Namen des Kreuzes. Doch wenn ich meiner Kirchengeschichte zum Trotz Christ bleiben will, dann hat auch der gejagte schwule Muslim das Anrecht auf jeden Beistand, der sich von Christen und Kirchen organisieren lässt.
Und komme uns keiner mit der derzeit in Nigeria wohlfeilen Rechtfertigung: Homosexualität sei einfach unafrikanisch, basta! Das war hierzulande noch zu Kaisers Zeiten ein ebenso in Erz gegossenes Urteil für die Ewigkeit. Hundert Jahre nach dem Existenzen vernichtenden sog. Eulenburg-Skandal um den vielleicht schwulen besten Freund von Kaiser Wilhelm II könnten wir aus selbstbewussten homosexuellen Politikern ein All-Parteien-Kabinett bilden.
Ob Graf Eulenburg 1907 bei Repräsentanten der Kirchen Mitmenschlichkeit und Solidarität gefunden hätte? Natürlich nicht. Heute hat meine Kirche endlich verstanden, dass viele Menschen den homosexuell geprägten Lebensweg einfach geführt werden; dass sie damit auf ihrem richtigen Weg sind.
Die Kirchen in Nigeria wehren sich überwiegend noch gegen diese Erkenntnis. Darum werden sie sich schwer tun, ihre guten Kontakte zu menschenfreundlichen Führern der islamischen Gemeinschaft in Nigeria zum Schutz der gejagten schwulen Muslime zu nutzen. Jeder Christenmensch in Deutschland, der ein wenig Englisch gelernt hat, kann sie in diesen Tagen bitten, über ihren Schatten zu springen und es doch zu tun. Und auch der Christ Goodluck Jonathan sollte Post von seiner Kirche bekommen.