Den Valentinstag habe ich als Blumen-Pflichttermin durchgewinkt. Erstens gehöre ich nach inzwischen mehr als 50 Jahren mit Derselben nicht zu den Jungverliebten, sondern zu den Altverliebten. Zweitens ist die in Rede stehende Frau meisterliche Gärtnerin mit dem Hang zum botanisch Bodenständigen. Und drittens lasse ich mir ungern durch die Werbekampagnen der Blumenindustrie vorschreiben, wann ich in ihren Verkaufsstellen zu erscheinen habe.
Aber dies Jahr bin ich trotzdem nicht des Problems der Blumenbeschaffung im Februar enthoben. Unsere Kirchengemeinde muss zur Zeit ohne Pfarrer auskommen. Deshalb teilen wir Ehrenamtlichen die Geburtstagsbesuche bei unseren ganz alten Glaubensgeschwistern, die nicht mehr aus dem Haus kommen, unter uns auf. Ich habe in der zweiten Monatshälfte zwei Termine zugeteilt bekommen: zwei Damen in Pflegeheimen, 95 die eine und 93 die andere. Beide waren nicht nur auf dem Papier Kirchenmitglieder. Sie haben Hand angelegt, damals zu DDR-Zeiten, als frau sich schon bewusst dafür entscheiden musste.
Ich werde diese Mütter unserer Gemeinde nicht ohne Blumen besuchen. Topfblumen scheiden allerdings aus. Die müssen gepflegt werden. Beide Frauen sollen aber selbst pflegebedürftig sein. Und das Personal hat mehr als genug zu tun. Also Schnittblumen! Allerdings wächst nur noch zwanzig Prozent der hierzulande nachgefragten Blütenpracht beim Gärtner um die Ecke. Die Masse kommt ins Land, aus den energiefressenden Gewächshäusern der Niederlande und seit etwa zwei Jahrzehnten auch aus Ländern des Südens. Weil Gewächshäuser in Afrika und Lateinamerika aber nicht beheizt werden müssen, kommen die weit gereisten Rosen und Nelken immer noch mit deutlich weniger Energieaufwand auf unsere Tische als die Ware aus der EU-Nachbarschaft.
Für uns Alte bleibt es gewöhnungsbedürftig: der Blumenstrauß als Weltreisender. Ich habe noch Mädchen an den Zöpfen gezogen, während die im Sommer auf der Kuhweide saßen und sich Blumenkränze flochten. Die Blume wanderte damals vom Garten in die Vase, höchstens mal vom Gärtner, wenn in der Kirche Hochzeit war.
Aber die globale Blume ist längst Tatsache. 200.000 Frauen und Mädchen, dazu auch Männer, sind eine Tatsache. Sie arbeiten, ja, sie schuften auf den Feldern und in den Plastik-Gewächshäusern der Weltmarkt-Schnittblumenindustrie von Kolumbien über Ecuador bis Kenia, Tanzania, Äthiopien und etliche andere Länder mit Tropenklima.
Hungerlöhne, Knebelverträge, Gewerkschaftsunterdrückung, unverblümte Drohungen, Vergiftungsgefahr: die Liste der Ausbeutungstatbestände in der jungen neuen Industrie war unerträglich. Und weil alles in den Export ging, wandten sich die Blumenfrauen noch in den 90er Jahren über die Aktion BROT FÜR DIE WELT an die Käuferinnen und Käufer in Deutschland: sorgt mit eurer Marktmacht dafür, dass Gerechtigkeit und Arbeitssicherheit Einzug halten in die Schnittblumenindustrie.
BROT FÜR DIE WELT hat die Internationale Menschenrechtsorganisation FIAN -FÜR DAS RECHT SICH ZU ERNÄHREN, für die Sache gewonnen. FIAN Deutschland, mit Sitz in Köln, hat viele Jahre lang im Sinn der Blumenarbeiterinnen verhandelt.
Deshalb habe ich jetzt die Wahl, wenn ich im Februar Schnittblumen kaufen gehe. Nachdem ich im Internet nach „Fairen Blumen“ gefragt habe, weiß ich, wo ich in unserer Stadt Blumen mit dem Fairtrade-Siegel, dem von unserer Kirche mit getragenen Siegel des Fairen Handels bekomme.
Das Siegel verbürgt angemessene Bezahlung der Arbeiterinnen, Gewerkschaftsfreiheit, ordentliche Arbeitsverträge und vor allem Schutz vor den giftigen Agrarchemikalien. Die Kontrollen, die zu jedem ernst zu nehmenden sozialen Warensiegel gehören, sind eng und unabhängig.
Der Ladenpreis wird mich auch nicht überfordern. Ich werde wieder auf das Phänomen stoßen, dass ich auch schon aus anderen Kampagnen des Fairen Handels kenne. Bei der Kalkulation eines deutschen Ladenpreises fallen gerechtere Arbeitslöhne im Süden der Welt kaum ins Gewicht. So gering ist ihr Anteil am Endpreis. Bei Schnittblumen heißt das ungefähr 50% Handelsspanne – nicht zu verwechseln mit Gewinn -des Einzelhandels; 19% Prozent Transportkosten; 22% Spanne des Großhandels. Ja, und wer jetzt addiert, weiß was auf der Blumenplantage bleibt, Arbeitslöhne inklusive.
Und deshalb sollten wir es uns vornehmen, die Nachfrage nach „fairen Blumen“ anzukurbeln. Denn bis jetzt können die zertifizierten Betriebe nur einen Teil ihrer Ernte zu den anständigeren Bedingungen vermarkten.
Eines allerdings bekenne ich freimütig: sobald unser großer Garten wieder blüht, werde ich meine kleinen Sträuße dort pflücken.