Mehrmals habe ich mich dabei ertappt. Wenn schlimme Nachricht von neu aufflackernden Bürgerkriegen aus den Grenzregionen von Kongo, Ruanda und Uganda in unsere Medien gelangen, denke ich nicht zuerst an die Menschen. Besonders wenn davon die Rede ist, dass sich Kämpfer der einen oder anderen Partei in Waldgebiete zurück gezogen hätten, denke ich unwillkürlich an die letzten Gorillas. Ihre Überlebenschancen sinken fast auf Null, wenn Bürgerkrieger Appetit auf „Buschfleisch“ bekommen.
Ich kann eben eine der bewegensten Begegnungen meines Lebens nicht vergessen: eine Gorillafamilie bei der Siesta im Bergwald im Osten des Kongo. Sie toleriert die kleine Besuchergruppe aus einheimischen Wildhütern und drei Zugereisten.
Der mächtige Silberrücken kaut keine zwei Meter von mir entfernt an einem Bambusstamm. Er hat es auf das Mark abgesehen. Ich habe Anweisung, mich nach Weibchenart auf den Boden zu kauern und an ein paar Blättern zu knabbern. Das beruhigt – ihn und mich. Im Gebüsch werden nach und nach die Familienmitglieder sichtbar: Frauen und Kinder verschiedenen Alters. Die bringen mit ihrer Neugier Leben in die einstündige Begegnung.
Braucht die Menschheit Gorillas? Nein, sagen die, die beim großen Spiel um Macht und Mammon die Fäden ziehen. Ja, fleht mein Herz, wenn ich an meine Enkel und ihre afrikanischen Zeitgenossen denke.
Mit den Gorillas bleiben mir die Wildhüter in Erinnerung. Wie viele von ihnen mögen inzwischen ihren Einsatz mit dem Leben bezahlt haben?
2008