Fremd in der Kirche


Grüß Gott, liebe Christenmenschen,

im Laufe der Zeit kriegt man einen Blick für Gottesdienstbesucher. Eigentlich müßte ich sagen, ein Näschen. Aber ihr Menschen seid ja Augenwesen und könnt euch schlecht vorstellen, wie wir Mäuse die Welt erleben. Das junge Ehepaar vom letzten Samstag habe ich jedenfalls in unserer Kirche noch nie gerochen. Sympathisch, muß ich sagen, aber ein bißchen unsicher. Die wußten z.B. nicht, wo bei uns die Gesangbücher liegen. Selber hatten sie keines und da war auch niemand, der ihnen eins in die Hand gedrückt hätte. Bei uns ist es nämlich nicht üblich, die Christenmenschen vor der Kirche zu begrüßen. In der Kirche ist das sympathisch riechende junge Ehepaar dann erst mal stehengeblieben und hat sich umgeschaut. Ich vermute, sie haben Anschluß gesucht, wollten sich irgendwo dazusetzen. Aber unsere Christenmenschen saßen da wie meistens, weit verstreut im großen Kirchraum, so als wollte jeder seinen Privatgottesdienst feiern. Kein Lächeln, kein Kopfnicken, keine einladende Handbewegung. So ist unser Ehepaar schließlich links hinten an der Säule gelandet und hat da den Gottesdienst abgesessen. Auch unsere Presbyterin mit dem Klingelbeutel hat nicht gemerkt, daß die beiden neu waren. Ein grüßender Blick von ihr hätte noch manches gut gemacht. So aber sind sie nach dem Gottesdienst ebenso leise und unbemerkt wieder gegangen, wie sie gekommen waren. Meine Erfahrung als Kirchenmaus sagt mir, daß ich sie kaum wieder riechen werde.

Dabei hatte alles so gut angefangen. Die beiden sind kürzlich zugezogen, und 14 Tage später bekamen sie schon unseren Gemeindebrief. Sonntags drauf waren sie prompt im Gottesdienst. Was hätte daraus werden können! Aber ein Gemeindebrief allein tut’s freilich nicht. Menschen brauchen auch das Gefühl, daß sie in der Kirche willkommen sind. Warum bloß tut ihr Christenmenschen euch mit dieser Erkenntnis schwer,

fragt sich

Eure Kirchenmaus