„Ich liebe Jesus“


Grüß Gott, liebe Christenmenschen,

mir stehen immer noch die Tasthaare zu Berge. Gerade komme ich von einer Krisensitzung aller Kirchenmaus-Familienoberhäupter im Keller des Kreiskirchenamtes. Ungeheuerliches ist geschehen, wie es das seit Mäusegedenken zwischen Röhlinghausen und Ickern noch nicht gegeben hat. Angefangen hat es damit, daß mein ehrenwerter Kollege von der Sodinger Johanneskirche am frühen Sonntagmorgen seinen Kontrollgang über den Kirchvorplatz macht. Da bemerkt er den Küster, wie er eine Kamera auf die hölzerne Kirchentür richtet. Und er hat allen Grund dazu, sozusagen zur Beweissicherung. Quer über die guten Holztüren hat ein nächtlicher Übeltäter mit weißer Lackfarbe einen Spruch gesprüht, so wie man das von Hauswänden und Bahnanlagen kennt. Der Kirchensprayer war weder für noch gegen Kernkraft. Er hat die Kirchentür statt dessen mit einer Liebeserklärung verschandelt. „Ich liebe Jesus“ hieß die Botschaft aus der Spraydose. Nebenbei gesagt, dem guten Küster muß seltsam zumute gewesen sein. Als alten CVJM-ler hat ihm der Spruch sicher gefallen – aber als Küster? Wo kommen wir denn da hin? Außerdem ist das Ganze längst keine Sodinger Angelegenheit mehr. Der unbekannte Jesusliebhaber hat auch unsere ehrwürdige Kreuzkirche heimgesucht – und das rund herum‚ immer wieder „Ich liebe Jesus“. Weitere Attentate sind inzwischen bekannt geworden.

Da werdet Ihr verstehen, daß mir alsOb-Mausbock aller Kirchenmäuse nichts übrig blieb, als zur
Krisensitzung ins Kreiskirchenamt einzuladen. (Ich hoffe sehr, daß unser Verwaltungsleiter so fair ist und jetzt nicht seine Keller nach unserem Versammlungsort durchsuchen läßt). Nach ausführlicher Diskussion und nach Hinzuziehung etlicher Kapazitäten von der Musculogischen Fakultät nehmen die Kirchenmäuse des Kirchenkreises Herne zu der Attentatsserie wie folgt Stellung:

1. Einem Christenmenschen kann im Prinzip nichts Besseres passieren, als sich in Jesus zu verlieben.

2. Die Kirchenmauskonferenz begrüßt ausdrücklich, wenn sich Christenmenschen entschließen, ihre Liebe zu Jesus nicht für sich zu behalten.

3. Die Kirchenmauskonferenz drückt ihre Besorgnis darüber aus, daß in vielen Gottesdiensten von einer leidenschaftlichen Liebe zu Jesus recht wenig zu spüren ist.

4. Insofern sehen sich die Kirchenmäuse veranlaßt‚ bei den betroffenen Presbyterien auf mildernde Umstände für die/den Attentäter/in zu plädieren.

5. Die Kirchenmauskonferenz bittet alle frisch oder längerfristig in Jesus Verliebten, ihre Liebeserklärung möglichst mündlich zu veröffentlichen.

6. Für Notfälle wird der Kreissynodalvorstand gebeten, eine geeignete kirchliche Graffiti-Fläche auszuweisen.

Das war’s, Eure Kirchenmaus