2. August 2015. Ein Sonntag mit seinen politischen Schlagzeilen und Sportmeldungen; Urlaubszeit, sonst nichts Aufregendes. Der 2. August 1945, 70 Jahre früher, war einer dieser Tage, die uns den Vergleich „vorher – nachher“ aufdrängen.
Am 2. August 1945, als wir befreiten und besiegten Deutschen durch unsere Trümmerwüsten stolperten, tobte im Pazifik noch der von Hass, Fanatismus und Rachedurst genährte Krieg gegen den inzwischen nahezu wehrlosen japanischen Aggressor.
Aber in der Vorstellungswelt der Völker existierte eines noch nicht, die Atombombe. Auf dem riesigen Flugplatz auf der Marianeninsel Tinian war zwar alles bereit. Staatsspitze und Militärs der längst feststehenden Siegermacht USA kannte ihre Option, seit dem Trinitity-Test, – „Tritity“ für das christliche Bekenntnis zur göttlichen Dreifaltigkeit – am 16. Juli 1945, 5:29h in der Wüste von Neu-Mexiko. Aber was eine Machtelite und ihre Ausführenden wussten, hatte noch nicht die Herzen der Menschen erfasst und für alle Zeiten und kommenden Generationen mit einem Brandmal versehen. Vier Tage Ahnungslosigkeit blieben noch für die Opfer in Hiroshima, sieben für Nagasaki. Wenige Tage, die schon nichts mehr änderten; die wir doch unwillkürlich einem anderen Zeitalter zurechnen, in das kein Weg zurück führt.
Überlebende aus Hiroshima haben Worte dafür gefunden, wie sie in Sekunden aus dem normalem Kriegsalltag in ihrer Stadt in eine andere entsetzliche Wirklichkeit gerissen wurden.
Weil nach Hiroshima und Nagasaki keines Menschen Herz die Angst von solchen Sekunden ertragen kann, haben sich verschiedene politische Verantwortungsträger aus den USA dazu bekannt, dass sie ihre eigenen Familien nicht alarmiert haben, als Überwachungsdaten auf einen möglicherweise in Minutenfrist drohenden Atomkrieg hindeuteten. Mehrfach ist das vorgekommen.
Wir leben, weil diese absurde Zwischenfallliste bisher nicht zum finalen Missverständnis geführt hat. Wir leben nur deshalb nicht im Irrenhaus, weil über die Realität menschlicher Irrtumsanfälligkeit ein globales Tarnnetz gebreitet ist, von allen Atomkriegspraktikern sorgsam festgezurrt. Wir leben nach dem 6. August 2015!
Nach dem 9.August 1945, nach dem Abwurf von „Little Boy“ auf Hiroshima und „Fat Man“ auf Nagasaki, waren die auf Erden vorhandenen Bombenvorräte zunächst weitgehend aufgebraucht. Heute morgen, am 2. August 2015, befinden sich etwa 1.300 Bomben im Status augenblicklicher Einsatzbereitschaft, auf den stationären und mobilen Basen der aktuellen Atommächte. Weitere 3.000 Monster modernster Bauart könnten direkt aus den Arsenalen nachgeschoben werden. Wäre danach noch jemand übrig, der weiteren Bedarf hätte, könnte er sich aus reichlich 10.000 etwas angejahrten Modellen bedienen.
Die Reduzierung der einst global gelisteten mehr als 30.000 Bomben auf rund 4.300 Top-Modelle bietet keinen, aber auch gar keinen Anlass zur Beruhigung. Denn alles, was weltweit unter dem Stichwort Modernisierung mit dem Bomben des 21. Jahrhunderts gemacht wird, soll ihre Nutzbarkeit und Nützlichkeit in Kriegsszenarien erhöhen, die von modernen Kriegern für realistisch, ausführbar, überlebbar, tatsächlich gewinnbar gehalten werden. Was sind die alten Megatonnen-Knacker gegen eine smarte A-Bomb, die ihr Ziel im Meterradius erreicht, die jeden Abfangversuch abschüttelt? Die angeblich dazu taugt, begrenzte kriegerische Ziele tatsächlich zu erreichen? Die ein Feind gefälligst in Kauf nehmen soll, ohne gleich nach den Städteauslöschern zu greifen!
Und die nuklearen Phantasien in Thinktanks und Laboren greifen längst darüber hinaus. Warum nicht doch den atomaren Bunkerknacker und ähnliches Kleinzeug anschaffen? Wir alten Deutschen denken unwillkürlich an Adenauers unglaubliches Wort von den Atomwaffen als simpler „Weiterentwicklung der Artillerie“.
Ob die große Tarnkappe aus Beschwichtigung und Augen zukneifen im Zeitalter nach dem 06. August 1945 ausreichen wird, um unseren Stern des Lebens zu bewahren, ist mehr als fraglich.
Das Leben ist keine Lotterie. Da wären sowohl der verehrte Charles Darwin als auch meine Bibel grob missverstanden.
Darum ist es nicht genug, mir selbst jeden Tag zu versichern, dass ich um nichts in der Welt von „unseren“ startbereiten Atomwaffen gegen die der „anderen“ verteidigt werden möchte. Für Bürger des Zeitalters nach dem 6. August 1945 ist das Leben mit der Bombe keine beliebige Privatsache mehr. Unser „Coming out“ ist unverzichtbar, damit die Herren der Bomben tatsächlich begreifen, dass ihnen die Gefolgschaft abhanden kommt.