Ob sich Jurastudenten künftiger Jahrzehnte seinen Namen fürs mündliche Examen merken sollten? Ich weiß es nicht. Aber berühmte Präzedenzfälle gehören ja wohl zum Berufswissen von Rechtskundigen. Also: der Mann heißt Ioane Teitiota, derzeit 37. Er ist Bürger der Atoll-Republik Kiribati im Pazifik, auf halbem Weg von Hawaii nach Australien. Ioane Teitiota ist der erste Mensch, der in einem Rechtsstaat vor Gericht für sich, seine Frau und seine Kinder um die Anerkennung als „Klimaflüchtling“ gekämpft hat. In erster Instanz hat er verloren hat. So geschehen kürzlich in Auckland, Neuseeland.
Wer hierzulande schon mal von Kiribati gehört hat, hat sich entweder mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs im Pazifik, dem sog. „Inselspringen“ der Amerikaner, beschäftigt – oder mit Kiribati als einem der ersten souveränen Staaten, die fast vollständig dem Klimawandel zum Opfer fallen werden. Der steigende Meeresspiegel ist das Menetekel. Die 32 Atolle von Kiribati, zusammen mit einer Landfläche etwa wie Berlin, werden allein deshalb schon unbewohnbar, weil eindringendes Meerwasser die Süßwasservorräte ungenießbar machen wird. Vor Gericht war davon die Rede. Die Tatsache blieb unbestritten. Aber die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 kennt nun mal Klimawandelfolgen nicht als Rechtsgrund für die Gewährung von Asyl. Die Ablehnung des Antrags war zwangsläufig. Trotzdem werden die reichen Demokratien Neuseeland und Australien die Bürgerinnen und Bürger der untergehenden Inselrepubliken ihrer Hemisphäre gewiss nicht ertrinken lassen.
Wenn ich diese wichtige Nachricht aus den ökumenischen Kanälen unserer Kirche richtig verstehe, dann ist das Wegweisende nicht das Urteil. Das war wohl absehbar, so lange geltendes Recht Gerichte bindet. Wichtiger scheint mir zu sein, dass die Richter am anderen Ende der Welt die Klage zugelassen haben. Es sollte mich nicht wundern, wenn sie, ihrer juristischen Zwangslage zum Trotz, der Politik einen Rippenstoß geben wollten: hier muss Recht, hier muss Völkerrecht geändert werden, so bald wie möglich. Das müssen Parlamente und Regierungen tun. Beim Völkerrecht kommt auch die UNO mit ins Spiel.
Die Causa Ioane Teitiota gegen Neuseeland wird nicht lange ein Einzelfall bleiben. Andere werden ihn an Dramatik weit übertreffen. Ströme von Klimaflüchtlingen werden noch durch dieses Jahrhundert irren, Zuflucht und Recht suchen. Es wird nicht um ein paar Hunderttausend Südseeinsulaner gehen, deren Heimatländer fast nur Kreuzworträtsel-Fans mit Namen kennen. Kiribatis ziemlich hoffnungslose Atolle liegen durchschnittlich noch zwei Meter über dem Meeresspiegel. Das ist mehr als einem Teil der Bauern und Fischer von Bangladesch im Mündungsdelta des Ganges bleibt. Dort leben Millionen auf engstem Raum.
Schließlich: der steigende Meeresspiegel mag uns Landwesen das Fürchten lehren! Aber Klimaflüchtlinge wird die Dürre, das Gegenbild zur Überschwemmung, genau so und nicht weniger nach sich ziehen. Verlust der Bodenfruchtbarkeit durch Jahr um Jahr anhaltende Dürre, Desertifikation: die Folgen sind nicht weniger endgültig, nicht weniger zwangsläufig. Afrikanische Viehzüchter, sogar Ackerbauern, sind über Jahrhunderte mit sparsamen Regenfällen zurecht gekommen. Sie wurden satt ohne Katastrophenhilfe von außen. Es ist der Unterschied zwischen wenig Wasser und keinem Wasser, was viele zu Umweltflüchtlingen machen wird.
Die Liste absehbarer Fälle ist sehr viel länger. Deshalb verlangen Menschlichkeit und Frieden nach verlässlichen Rechten für die, die es treffen wird, Menschen nicht schuldiger und nicht unschuldiger als die, die ihre Heimat und Existenzgrundlage nicht verlieren. Ob es noch zehn oder zwanzig Jahre dauert, bis Klimaflüchtlinge den Rechtsanspruch auf einen Neuanfang auf dieser Erde haben? Ich weiß es nicht. Aber der Tag muss kommen.