Wenn die Bibel auf Bäume zu sprechen kommt, geht es meistens nicht um knorrige Eichen oder andere wilde Gesellen, sondern um Kulturbäume; Bäume, von deren Zucht und Pflege sich die Familien des alten Israel unmittelbaren Nutzen versprachen. Schon der paradiesische Garten Eden steht für diese Baumkultur. Gott selbst arbeitet als Gärtner in der Oase Eden und weist den Menschen ein, die Aufgabe zu übernehmen.
Bäume für den Lebensunterhalt der Familie zu pflanzen und zu pflegen ist kein belangloses Hobby, derart, wie es Baumärkte heutzutage dem Häuslebauer andienen. Erfüllt der eine Strauch nicht meine Erwartungen, rupfe ich ihn eben aus und nehme mir ein anderes Stück Gartenmode aus welcher Weltgegend auch immer, mit nach Hause – mögen Hummeln und Meisen auch noch so blöd gucken.
Existenzsichernde Kulturbaumpflege war immer standortgerecht, auch in Jahrtausenden, die diesen Begriff nicht kennen mussten. Der richtige Standort für den Setzling ist schon die halbe Ernte. Das unterscheidet noch heute den cleveren Schrebergärtner vom modehörigen Reihenhäusler: er wird sich immer genau erkundigen, bevor er das Pflanzloch gräbt.
Im 1. Psalm wird so eine rundum gelungene Standortwahl zum Bild für ein gelungenes Leben. Wer sich Gottes Leitlinien für Mitmenschlichkeit und Vertrauen immer neu zu eigen macht, – das, was wir die Gebote nennen, – der gleiche „einem Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zur richtigen Zeit. Und seine Blätter verwelken nicht.“
Der orientalische Lebensraum hat den Blick unserer Mitmenschen sehnsuchtsvoll auf das lebhaft fließende Oberflächenwasser, den Bach, gelenkt, mehr noch, als unsere mitteleuropäische Natur das tut. Wir sind es gewohnt, uns auch auf beinahe unerschöpfliche Grundwasservorräte zu verlassen. Aber das Ergebnis für den Obstbauern ist schließlich dasselbe, so oder so. Ein Baum, der klugerweise dorthin gesetzt worden ist, wo es sein ganzes langes Leben lang, genug Wasser aufnehmen kann, erweist sich als Schatz. Und der Gärtner, der ihn genau dorthin gepflanzt hat, versteht seinen Beruf!
Die Ästhetik des erntereifen Apfelbaumes wird heute eher von Landleben-Lifestyle-Magazinen ins Bild gesetzt, als dass sie noch die reale, alle Jahre wiederkehrende Einladung zum Hinaufklettern wäre, wie für viele Jungen und Mädchen meiner Generation. Aber einen Zipfel davon meine ich, auch vor fast 70 Jahren schon erfasst zu haben: die Äpfel ganz oben pflücken, die süßen Zwetschgen gegen die Wespen verteidigen, die herbstliche Suche im Gras unter dem Walnussbaum, all das war erfülltes Kinderleben, ernsthaft und gleichzeitig mit Freude gewürzt. Ganz nebenbei lernten wir durch den Augenschein und durch kindgemäße Hilfsarbeiten, was die Bäume übers Jahr alles an Pflege brauchen, bevor ihre Früchte Teil der Erntedank-Schau in der Kirche werden konnten. Die Bäume im münsterländischen Bauerngarten konnten gut und gerne mit den Bäumen am Bachufer in Israel mithalten. Auch sie waren der Ertrag von Sachkunde, Fleiß und der Ausdauer mehrerer Generationen. Nicht anders als Kaffeebäume guatemaltekischer Kleinbauern oder die Mangobäume im indischen Dorf.
Dies Bild vom prachtvollen Wirtschaftsbaum am geeigneten Standort wird in der Jesus-Überlieferung des Neuen Testaments weiter geführt. Dabei bleibt vorausgesetzt, dass nicht um unverbindliche Hobbygärtnerei geht, sondern um ernsthafte Mühen für den Lebensunterhalt der Familie.
Ein Prachtskerl von Obstbaum am Bachufer: wunderbar! Aber was ist mit den Baum, dessen Standort ebenso sorgfältig gewählt worden ist, ohne dass er sich mit einer ordentlichen Ernte bedankt?
Gebt ihm noch eine Chance!, heißt es in einem Gleichniswort. Bearbeitet den Boden und düngt ordentlich! Das könnte helfen. Aber wenn der Baum auch noch zur nächsten Erntezeit leer bleibt, muss er weg! Nutzlose Bäume blockieren die knappen guten Standorte. Dazu passt die kleine Jesusszene, wie er von einem kümmernden Feigenbaum ein paar Früchte pflücken möchte, vergeblich. Er wird böse, anders kann man das nicht nennen! Nein, nutzlose Nutzbäume müssen weichen. Mehrfach zitiert der große Gleichniserzähler diese alltägliche Regel bäuerlicher Vernunft .
So fragt er nach dem Ertrag des Menschenlebens; der Ernte in Gestalt von Nächstenliebe und Gerechtigkeit, den Antworten des Menschen auf die Zuwendung Gottes. Es gibt keinen besseren Standort für gelingendes Menschenleben, als die erfrischende Nähe des menschenverliebten Schöpfers. Aber dieses Leben ist trotzdem keine Spielerei: Je wertvoller der Standort, umso mehr Hoffnungen richtet der Schöpfer selber auf die Ernte. Wem viel gegeben ist,von dem wird man viel erwarten.Eine Baum-Lebensregel, vielleicht nicht für jeden, aber eine Herausforderung für alle, die das gebrauchen können.