Fastenaktion 2013, 23. März
Für manche kritischen Naturschützer ist der WWF, der World Wide Fund for Nature, nicht unbedingt die erste Adresse. Allzu eng erscheinen ihnen die Verbindungen der einflussreichen Organisation mit dem internationalen Machtgeflecht der großen Wirtschaft. Die Fotos ihrer königlichen Ex-Präsidenten Prinz Bernhard der Niederlande und Prinzgemahl Philipp des Vereinigten Königreiches als Großwildjäger zählen da eher zu den kleineren Ausrutschern.
Aber das Geschick für den großen Mediencoup ist dem WWF nie abhanden gekommen. Den Großen Panda aus Chinas Bambuswäldern als Logo und Symbol der globalen Kämpfe für Artenschutz und Arterhalt kennen inzwischen wohl ein bis zwei Milliarden Menschen. Nicht weniger Zeitgenossen sollen sich für den vom WWF proklamierten heutigen „Earth Hour Day“ interessieren, den Tag mit der „Stunde für die Erde“. So das erklärte Ziel. Das starke Symbol: eine Stunde lang, von 20.30-21.30 h, je nach Zeitzone, sollen prominente Bauwerke der Menschheit absichtlich im Dunkeln liegen; als da wären Buckingham Palast, Eiffelturm, Brandenburger Tor, Opernhaus Sidney usw. Allein Indien meldet 150 Mitmacher-Städte. Die dunkle Fährte, die sich um den Globus ziehen wird, soll an die Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel erinnern; in Deutschland unter dem ins Positive gewendeten Motto „Ja zur Energiewende“.
Was die Bodenstationen des Christengottes angeht, weiß ich, dass hierzulande der Kölner Dom und die Münchener Frauenkirche in sorgenvollem Dunkel liegen werden. Über die Lichtverhältnisse heute Abend am Magdeburger Dom bei uns um die Ecke, evangelisches Gegenstück zum Kölner Dom, habe ich nichts in Erfahrung gebracht. Aber dass uns Christenmenschen das Wohl der Schöpfung auf der Seele liegen muss, bedarf keiner langatmigen Begründung. Gott setzte uns Menschen, in den Garten Eden, damit wir ihn „bebauen und bewahren“. Die biblische Bildsprache in unsere Begriffe übersetzt, heißt das ja wohl:
auch die Kulturlandschaft ist vom Schöpfungsgedanken getragen. Gott selbst ist der Gärtner der Oase von Eden, der Schöpfer eines planvollen, nutzbaren sekundären Lebensraumes. Seine Dienstanweisung an die menschlichen TreuhänderInnen ist beispielhaft dafür, wie so ein Dokument aussehen sollte. Eindeutig in der Zielvorgabe, aber mit Gestaltungsfreiheit für die so verschiedenen irdischen Lebensräume. Hat dein Tun und Unterlassen die Menschen satt gemacht und dabei den Kreislauf des Lebens respektiert?
Dieser Frage des Gärtners von Eden müssen in unserer Zeit nicht nur Kleinbauern und Agro-Industrielle stellen. Investoren, Supermarktkunden, Steakhausbesucher, Autofahrer, Ferntouristen, Senioren mit Aktiendepots: wer auch immer sich tummelt auf den arbeitsteiligen Marktplätzen unserer Welt und dabei die biblischen Hoffnungen nicht abgeschrieben hat. Wir alle müssen antworten. Gehören „bebauen/nutzen“ und für die Zukunft „bewahren“ in unserem Alltag noch oder wieder mehr zusammen? Oder hätte der Gärtner sich besser anderes Personal gesucht?
Eine globale Kirche hat in jeder Zeitzone reichlich Anlass, mit ihren Gebäuden und Menschen an solch einem temporären Denkmal, wie es die „Stunde für die Erde“ ist, mit zu bauen. Die Folgen des Klimawandels hängen heute schon in den allermeisten Zeitzonen Menschen und Mitgeschöpfen wie strangulierende Mühlsteine um den Hals. Opfer wie Verantwortliche sind Mitglieder Christlicher Kirchen. In vielen ökologischen Krisenregionen Afrikas und Lateinamerikas stellen sie ein Großteil oder die Mehrheit der Bevölkerung. In den hoch bedrohten Lebensräumen Südasiens sind sie als nationale Minderheiten Teil volkreicher Nationen. In Europa und Nordamerika sitzen Christen an den Schalthebeln der wirtschaftlichen und finanziellen Macht. Zusammen mit der unwiderstehlichen Kaufkraft ihrer christlichen Landsleute spielen sie durch ihre Entscheidungen Schicksal für Klimawandel und Lebensbedingungen der nächsten Generationen. In diesem Sinne sind unsere Kirchen wirklich allgegenwärtig auf Erden, mehrdeutig, mitverantwortlich, mitschuldig,aber jederzeit auch fähig zu Hoffnung und Umkehr.
Darum macht es wenig Sinn, nach dem Splitter im Auge des WWF zu suchen. Der möchte und darf mit der „Earth Day Hour“ gern sein Ansehen als Umweltorganisation pflegen.
Ich finde, speziell wir Kirchen der sog. Ersten Welt haben genug mit unseren für die Menschheit sehr viel schädlicheren Sehstörungen zu tun – allein wenn man die Größenordnungen vergleicht.
Da wird es zur einfachen prophetischen Geste, wenn wir die Scheinwerfermasten um unsere geistlichen Triumpfbauten einmal bewusst abschalten. Wenn sie planmäßig wieder aufleuchten, haben wir vorher vielleicht das kleine Licht wahr genommen, mit dem der Gärtner von Eden uns ganz persönlich den Weg zum Leben ausleuchtet.