Fastenaktion 2013
Seit meinen Studententagen habe ich das bewährte Eine-Welt-Hilfswerk nach Kräften unterstützt, meines Wissens habe ich aber niemals einen Personalbogen ausgefüllt, aus dem mein Geburtsdatum zu entnehmen wäre. Ich bin ja Ehrenamtler, kein Angestellter.
So bin ich doch etwas überrascht, dass mir von dort pünktlich zum Geburtstag eine Broschüre in sympathischem Design ins Haus kommt: „Ratgeber und praktische Hilfestellungen für Ihr Testament“. Wirklich nicht zu früh, muss ich zugeben, für einen Menschen, der die Siebzig hinter sich gelassen hat. Nicht nur das, der vor Jahren mindestens zwei schwere Erkrankungen überleben durfte, an denen ein Vorfahr im 19. Jahrhundert wohl noch gestorben wäre.
Testament muss sein und ist natürlich längst gemacht. Die erwachsenen Kinder wissen, was sie wissen müssen, aber eher muffelig zur Kenntnis genommen haben. Erst mal werden wir noch ein paar Jährchen als Oma und Opa gebraucht. Das andere kriegen wir später.
Aber die Nachhilfe-Broschüre zum Geburtstag macht das ganze Drumherum um Sterben und Erben so schön anschaulich und verständlich, dass meine Frau und ich fast Lust bekommen, unsere Unterlagen wieder mal rauszuholen und sicherheitshalber durchzusehen
Die Absicht der Geburtstagspost ist klar und ehrenwert. Die uns da so hilfreich beraten, möchten als Miterben bedacht werden. Wir erfahren auch genau, wie soetwas möglichst reibungslos zu organisieren ist. Die Hungerbekämpfer und Menschenrechtsverteidiger stehen mit ihrer Bitte nicht allein da. Testamentsberatung ist längst ein etabliertes Teilgebiet beim Fundraising, auf Altdeutsch Spendenwerbung geworden. Naturschützer, Friedensarbeiter, Kinderrechtler, Kulturinitiativen, Eine-Welt-Hilfswerke, Missionswerke und Kirchen: alle versuchen, sich rechtzeitig bei uns Alten in Erinnerung zu bringen.
Es wäre auch kurzsichtig, das nicht zu tun. Wir leben ja, was unsere Sozialgeschichte angeht, in einer einmaligen Situation. Noch nie zuvor hat in Deutschland eine abtretende Generation derart hohe Privatvermögen zu vererben gehabt. Schon die Generation unserer Kinder wird, bei aller Tüchtigkeit, wirtschaftlich wieder auf schmalerem Fuß leben – bis hin zur Gefahr der Altersarmut.
Nehmen wir also an, die knapp 100.000.-€, die wir alles in allem zur Seite legen konnten, werden nicht doch noch ratz-fatz durch Pflegeheim-Rechnungen aufgefressen, wie soll der Überlebende von uns beiden dann eines Tages verfügen? Restvermögen, geteilt durch die Zahl der Enkel, mit der Bitte um Verständnis für die erbberechtigten Kinder? Oder eine familiäre Regelung, abzüglich einer „Zukunftsabgabe“ jenseits des Privaten? Zehn Prozent, zwanzig Prozent von dem, was zu verteilen wäre, für eine Arbeit, die die Lebensgrundlagen im 21. Jahrhundert insgesamt zu erhalten und zu verteidigen hilft?
Denn was helfen den Enkeln ein paar tausend Kröten für Ausbildung oder gar Konsum, wenn die Interessenkonflikte und Ungerechtigkeiten unserer Tage vollends außer Kontrolle geraten, wenn mit der Biosphäre weiter nach dem Ex-und-Hopp-Prinzip verfahren wird? Ohne ein globales Netz wirtschaftlich lebensfähiger Nichtregierungsorganisationen wird es jedenfalls auf dem Weg der Umkehr nicht gehen.
Vielleicht sollten wir also einen Erbschaftsschlüssel „Familie – Gesellschaft“ ins Testament schreiben. Die Auswahl der Organisation, die am Ende bedacht werden soll, könnten wir unseren Kindern überlassen. Ahnungslos und meinungslos sind sie Gott-sei-Dank nicht.
Nur für unsere Beerdigungen werden wir es festzurren: wem die Erinnerung an gemeinsame Tage einen Griff ins Portemonnaie wert ist: nichts mitbringen, was verwelkt und nach ein paar Tagen auf den Kompost kommt. Stattdessen Hilfe für eine Organisation, die uns am Herzen gelegen hat. Name und Kontonummer werden rechtzeitig verraten.