Fastenaktion 2013, 23. Februar
Wenn ich mich im Februar bei Eis und Schnee mit meinen alten Knochen aufs Fahrrad setze, dann riskier ich was. Aber doch wohl nicht, wenn ich mir im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Nachrichten anschaue. Oder ? Schließlich haben wir kein „Wahrheitsministerium“ à la George Orwell, das uns die Welt ins Hirn drückt, so wie wir sie sehen sollen.
So nehme ich denn zur Kenntnis, dass der globale Waffenhandel im Jahr 2011 eine kleine Absatzdelle zu verkraften hatte. Der Berichterstatter, das Stockholmer SIPRI-Institut, ist grundseriös und unumstritten. Die Nachrichtenredaktion schiebt eine knappe Erklärung hinterher: globale Finanzkrise; außerdem laufen die großen Kriege eher auf Sparflamme. Da geht dann weniger Kriegsgerät kaputt.
Nun habe ich eine gewisse Vergangenheit als rüstungskritischer Aktivist. Mir kommt die Sache gleich etwas seltsam vor. Aber mein Mitbürger nebenan? Von genaueren Kenntnissen der Materie unbelastet, mag er sich zurücklehnen, sich einen Schluck gönnen und einen Moment der Zufriedenheit genießen. Eine waffenstarrende Welt ist ihm schließlich nicht geheuer.
Inzwischen haben kritische Geister den SIPRI-Bericht gründlich gelesen. Genau den Bericht, von dem im Fernsehen die Rede war. Dieselben Fakten, – nur der springende Punkt, das, worauf es für uns deutsche Bürgerinnen und Wähler ankommt, blieb neulich unerwähnt. Fast alle haben sie 2011 etwas weniger gescheffelt, die Produzenten von Schießzeug. Nur ihre deutschen Konkurrenten haben durch die Bank kräftig zugelegt. Die Zahlen liegen auf dem Tisch, stammen vermutlich aus den Unternehmenszentralen, woher sonst? Krauss-Maffei, Diehl, Rheinmetall, Thyssen-Krupp und Kollegen haben 2011 trotz Branchendelle mehr für unseren Export-Überschuss getan, denn je. Im Wirtschaftsministerium wird man es hochzufrieden zur Kenntnis nehmen und zugleich nicht unnötig breittreten.
„Erfolgreich“ gegen den Trend, mit Rüstungsschmieden, die einzeln nicht entfernt die Umsatzzahlen der US-Giganten Lockheed und Boeing erreichen. Aber in der volkswirtschaftlichen Bilanzsumme machen sie uns – zumal im Verhältnis zu unserer Bevölkerungszahl – zu einem der absoluten Topdealer auf den Märkten, die nach Leichenbergen riechen.
Vor Jahrzehnten, als im alten Westen die neue deutsche Rüstungsindustrie aufgebaut wurde, wurde uns Bürgern das erklärt mit dem Bedarf der NATO-Armeen im Kalten Krieg. Verkäufe nach außerhalb sollten seltene Sonderfälle bleiben. Für 2011 haben die Taschenrechner der SIPRI-Experten ausgerechnet, dass schon zwei Drittel unserer Kriegsgüter ihre Käufer außerhalb von Europa und NATO gefunden haben, besonders gern in der Welt der Öl-Dollars.
SIPRI-Bilanzen brauchen ihre Zeit. 2011 auf 2013, da kann sich eine Menge getan haben, so oder so. Und wie´s der Zufall will: heute morgen kommt mir wieder eine Nachrichtensendung zu Hilfe. Diesmal höre ich Klartext: gegenüber 2012 habe sich der Kriegswaffenexport in die Ölstaaten am Golf, alle voran Saudi-Arabien, reichlich verdoppelt, auf satte 1,4 Milliarden Euro. Die Bundesregierung hat noch nicht verraten, zu welcher Einkaufsliste konkret sie da ihr Jawort gegeben hat, ganz vertraulich, um unsere Nerven zu schonen.
Aber was Scheichs und Könige und manche anderen Machterhalter anderswo gern in ihren Einkaufskörben sehen möchten, ist kein Geheimnis: rollendes Material für Straße und Gelände, mit dem sich wütendes Volk leicht zusammenkehren lässt, preiswertes Schießzeug, elektronischer Schnick-Schnack, der sich im Herrscheralltag bewährt.
Wer Waffen nicht bedingungslos anpreist, muss sich mindestens fragen, was denn der Kunde mit der Ware anzufangen gedenkt. Das muss ja nicht dasselbe sein wie das Nutzungskonzept, das einer Parlamentsarmee zugestanden wird.
Riskier was, Mensch? Als Nachrichtenkonsument jedenfalls nicht zu viel an Gutgläubigkeit.
Riskier ein paar Kriegswaffenexporte, Mensch? Wo gehobelt wird, fällt immer eine Handvoll Späne. Solange die Unternehmenssteuern unserer „Betriebe für den besonderen Bedarf“ sprudeln, solange sie Straßenbau und Lehrergehälter mitfinanzieren, will ich den Rest so genau nicht wissen.
Wenn wir uns auf diese Wurschtigkeit wirklich einlassen, riskieren wir etwas anderes: das mutige Bekenntnis, von unserem Land „solle Frieden ausgehen“, wäre abzutun als verlogene Phrase.