Beitrag für den Gemeindebrief einer Ev. Kirchengemeinde in Magdeburg
Wenn diese Ausgabe des „Kirchenfensters“ in die Hände der Christenmenschen gelangt, dann wird der Anblick schon Vergangenheit sein. Aber heute, Anfang Februar, nach dem Sonntagsgottesdienst im bescheidenen Ausweichquartier, bietet sich mir die die Gelegenheit: ich darf mich einigen Frauen und Männern aus dem Gemeindekirchenrat anschließen, die noch mal rüber gehen; die 50 Meter in die derzeit verschlossene Dorfkirche, seit ein paar Monaten außen und vor allem innen Baustelle.
Aber das Gröbste scheint überstanden. Gut, im Vorraum, das ist noch typisch Baustelle. Geräte, Handwerkszeug, Baumaterial. Aber der Kirchraum selbst ist schon blitzsauber, makellos weiße Wände. Der leere Raum unterstreicht die schlichte Würde der einstigen Dorfkirche. Und auf der Empore wird die Orgel aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder aufgebaut. Orgelbauer im Einsatz, Handwerk der Extraklasse. Ein besonderer Könner, so höre ich, soll den rund 400 Evangelischen des ehemaligen Dorfes in wenigen Monaten vorführen, an welchem kleinen Schatz sie sich künftig erfreuen dürfen.
Der Heimweg durch die Wintersonne, rauf ins Nachbardorf ist gerade lang genug, dass die Gedanken noch mal in Bewegung geraten. Hoffentlich haben sie es jetzt geschafft, geht es mir durch den Sinn. Mehr als zehn Jahre besuche ich diese Gemeinde nun schon als ehrenamtlicher theologischer Gastarbeiter. Wenn ich mich nicht täusche, war das in dieser Zeit jetzt schon die dritte Periode intensiver Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen an dem Kirchbau. Soviel Mühe, soviel Geld, soviel Liebe! Für wen tun sie das?
Ganz bestimmt nicht nur für sich selbst, für die Minderheit der evangelischen Christinnen und Christen, die in den Straßen rund um diesen Bau wohnen, der im Zeitalter der großen europäischen Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts gemauert worden ist. Selbst wenn zehn Prozent der Christen regelmäßig am Gottesdienst teilnähmen – eine großartige Quote für städtische Verhältnisse, das wären 40 Nasen, die das Kirchenschifflein gerade zu einem Drittel füllen. Kaltblütig-betriebswirtschaftlich betrachtet ein Luxus, nur noch auf kurze Sicht. Hier bei uns im Bördedorf Niederndodeleben mit seinen zwei etwa ebenso alten Dorfkirchen gibt die Nutzungsquote noch dramatischeren Anlass zur Skepsis.
Nein, ganz offensichtlich erhalten und unterhalten wir Christen den historischen Bestand an Kirchen unter großen Mühen ganz wesentlich als mitmenschlichen Dienst an unseren Nachbarinnen und Nachbarn, die sich, z.T. schon über Generationen, von der Botschaft Jesu gelöst haben. Aber dass es auf Erden Orte der Geborgenheit, des herzerwärmenden Zuhause gibt, das vermitteln ihnen die Kirchtürme, die um fast nichts in der Welt fallen dürfen. Diese Tatsache rechtfertigt für mich auch die Inanspruchnahme öffentlicher Gelder bei der Mühsal der Finanzierung von Kirchenrenovierungen.
Aber da bleibt das zugleich einladende und fordernde Bild des freundlichen leeren Kirchenraumes mit den weißen Wänden und dem rotbraunen Fußboden. Was wird sein? Einfach nur die Stuhlreihen wieder aufstellen? Oder ist auch denkbar, dass Kinder hier auf Matten im Kreis sitzen und die wunderschönen biblischen Geschichten hören und nachspielen. Oder dass sich unter der Woche junge Mütter aus dem Stadtteil treffen, dass kleine Diesdorfer in der Kirche krabbeln lernen; dass Alte an Tischen sitzen und vertraute Melodien von der Orgel hören; dass, wenn es sein müsste, dieser mit Liebe und viel Geld erhaltene Raum sogar einmal Zuflucht sein könnte für Menschen, die verzweifelt darauf angewiesen sind. So, wie es Kirchen in Zeiten allergrößter Not immer wieder einmal waren – und immer ungeplant.
Alles in allem: die Kirchen, die auch unter der Woche leben, füllen sich dann auch spürbar an den Sonntagen. Möge der Geist Jesu den Christenmenschen in Diesdorf diesbezüglich die passenden Flöhe ins Ohr setzen.