Fastenaktion 2013, 20. März
Die Protokoll-Abteilung des Vatikan wird dafür sorgen, dass das Foto schleunigst an den Präsidentenpalast in Harare geschickt wird. Das gehört sich so, wenn ausländische Staatsgäste ohne eigenen Fotografen nach Rom kommen. Zum Beispiel zum Händedruck mit dem neu ins Amt eingeführten Papst Franziskus I. Unter den Angereisten auch Robert Mugabe nebst Gattin, steinalter und überhaupt nicht amtsmüder Präsident von Zimbabwe. Mugabes Untaten, angesammelt in reichlich 30 Jahren an der Macht, füllen inzwischen die Archive von Menschenrechtsorganisationen. Die Zahl der Opfer seiner brutalen Machtkämpfe und horrenden Fehlentscheidungen mag umstritten sein. Erschreckend ist sie allemal.
Das Foto mit dem neuen Shooting Star der Katholischen Kirche war dem schrecklichen Greis allemal die Reise wert. Denn er rüstet sich im 90. Lebensjahr abermals zum Wahlkampf. Es soll möglichst noch einmal die ganze Macht sein, nach ein paar Jahren erzwungener Regierungsbeteiligung oppositioneller Kräfte. Die Mobilisierung seiner privaten Terrortruppe wird dafür vielleicht nicht reichen. Er braucht auch das Lächeln des Papstes, um der mutigen Kritik der Kirchen Zimbabwes an seiner Gewaltherrschaft zu begegnen. Auch in Zimbabwe erreichen Fernsehbilder längst abgelegene Ortschaften. Bilder sind Machtmittel. Alle einheimischen Katholiken, die eine an Recht und Armutsbekämpfung ausgerichtete Politik wollen, werden mit den Papst-Mugabe-Fotos ihre liebe Not haben.
Ich will nicht darüber mutmaßen, wie sich der Papst bei diesem Händedruck gefühlt hat. Wer die Wahl zum Papst annimmt, weiß, dass zwischen den eigentlich unvereinbaren Rollen des Seelsorgers und des vatikanischen Staatsoberhauptes ein heftiger Spagat nötig werden kann. Mugabe hat ja das ihn betreffende Einreiseverbot in die EU dadurch überlistet, dass er seine diplomatischen Beziehungen zum nicht EU-Mitglied Vatikanstaat geltend gemacht hat.
Nein, nicht schon wieder der Papst der Katholiken! Vorrangig geht es mir nicht um ihn persönlich. Er vertritt bei diesem Händedruck uns alle, die wir den Namen Jesu im Munde führen und seine Botschaft für unsere Zeit beim Wort nehmen. Wieviel Nähe zu bösartigen Machthabern in der Welt der Politik, des Mammon, der Ideologien können wir riskieren? Eingedenk der Bilder und Urteile, die bei solchen Begegnungen unvermeidlich entstehen? Was muss sein, weil es Menschen retten könnte? Welche Bilder dürfen nie und nimmer sein, weil sie Menschen und die Menschlichkeit verraten, weil sie den Rohstoff für Propagandalügen liefern?
Den Besuch von Robert Mugabe hat sich der Vatikan gewiss nicht bestellt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie er im Gedränge weniger Tage nach dem Konklave hätte abgewendet werden können. Bei anderen, mir entschieden näher liegenden Fototerminen, sind die Verhältnisse erschreckend klar. Die im Bild festgehaltenen Anbetungsposen evangelischer Kirchenführer für Adolf Hitler, Hitlergruß im Talar, Bischofskreuz inklusive, das ist gewollte Beihilfe gewesen, nicht weniger. Diese bösen Fototermine repräsentieren den Normalfall von „Evangelische Kirche im Dritten Reich“. Die heute geehrten und zu Wegweisern erklärten Dietrich Bonhoeffer, Martin Niemöller, Kurt Gerstein, Ludwig Steil und zu wenige andere bekamen seinerzeit eher den massiven Druck der Fotopartner des Führers zu spüren.
Der Kirchensteuerzahler Hitler, der dem Vernehmen nach einstmals fromme Katholik Mugabe, das ganze Rudel von christlichen Diktatoren in Uniform, die ihre Aufmärsche gern mit Bischöfen garnieren, sie alle wollen Beweisfotos fürs Volk. „Gott mit uns“, soll das heißen. Ein Bischof, dessen Nein zur unmenschlichen Macht unmissverständlich ist, kann sich aber nicht etwa auf den Schutz eines Amtsbonus verlassen. Erzbischof Oscar Romero von El Salvador wurde am 24.März 1980 am Altar von einem Scharfschützen umgebracht.
Der Fototermin des Mächtigen mit dem Promi-Christen steht für die eine Richtung des Zusammentreffens. Die andere, die umgekehrte Richtung, ist sehr viel häufiger und für Christinnen und Christen auch sehr viel riskanter. Ihr Besuch bei dem Mächtigen oder bei seinen Helfershelfern, ohne Kamera, oft erst nach langem Warten zustande gekommen, mit höchst ungewissem Ausgang – was das Anliegen, aber auch, was die persönliche Unversehrtheit betrifft.
Von diesen Bittgängen erfahren wir nur selten. Die Bittsteller bleiben mit ihren Erfolgen und Niederlagen allein. Doch: jeden Tag machen sich Frauen und Männer, die zur weltweiten Kirche Jesu Christi gehören, irgendwo auf den Weg in die Büros politischer und wirtschaftlicher Gewalttäter. Ihr Ziel: Gefangene loseisen, Willkürentscheidungen abwenden, Recht und Vernunft einfordern. Als Wegzehrung haben sie nicht viel mehr als das Versprechen: „Es wird euch zur rechten Zeit gegeben werden, was ihr sagen sollt.“