Ach, wie war es doch vordem, für Sachsens Ministerpräsidenten so bequem, könnte man in Anlehnung an Wilhelm Busch seufzen. König Kurt (Biedenkopf) bekam an der Wahlurne zuverlässig seine absolute Mehrheit und konnte loslegen bzw. weiter machen. Wohl, weil sich die Zeiten diesbezüglich ein klein wenig geändert haben, stellt Amtsnachfolger Stanislaw Tillich jetzt vorbeugend und anbiedernd fest, der Islam gehöre nicht zu Sachsen.
Da wird man nicht nur bei PEGIDA, sondern auch in der Stollenbäckerei zu Dresden und bei den Erzgebirgischen Weihnachtsengelschnitzern aber erleichtert sein. Sie können bei ihren Sortimenten bleiben und müssen sich auf keine neuen Kundenwünsche einstellen.
Mir hat Herr Tillich mit seiner Polit-Fatwa leider nicht helfen können. Ich wohne nicht in Sachsen, sondern in Sachsen-Anhalt. Mein Landesvater lässt mich noch im Dunkeln tappen. Oder ich lese die falsche Zeitung.
Vor 25 Jahren konnte ich das Islamabweisende Sachsen und dieses Sachsen-Anhalt noch nicht trennscharf unterscheiden. Damals war ich Wessi, tief im Westen, wo er am muslimischten war und immer noch ist, wenn man mir diesen uneleganten Superlativ verzeiht. Das Bezirksgulasch der DDR hatte die historischen Ländernamen seit Jahrzehnten außer Gebrauch gesetzt. Dass zwischen Magdeburg und Leipzig eine reichliche Stunde IC-Strecke liegt und außerdem der ganze historische Kladderadatsch zwischen Preußen und Sachsen, konnte einem DDR-Ahnungslosen da schon mal entfallen.
Aber jetzt muss ich´s wissen! Gehört der Islam zu Sachsen-Anhalt oder nicht? Einen alten Baum verpflanzt man nicht mehr beliebig oft. Ich muss hier schon zurecht kommen, wo ich zur Feier des neuen Jahrhunderts Wohnung genommen habe. Ärger mit der Scharia-Polizei ist das letzte, was ich noch gebrauchen kann. Und weil mein Ministerpräsident mit tröstenden oder warnenden Worten all zu sparsam umgeht, werde ich notgedrungen Detektiv in eigener Sache.
Selbstlos teile ich die ersten Erkenntnisse meiner Recherche mit: Baumärkte gehören zu Sachsen-Anhalt, zuverlässig wie das Schwänzchen zum Schwein; die Bundesliga dagegen leider nicht. Zeugen unter 35 Jahren beschwören, dass auch Discos dazu gehören, auch wenn ein Opa nix davon mit kriegt. Beschwören kann ich meinerseits, dass Urlaubsreisen an die Enden der Erde zu Sachsen-Anhalt gehören. Was kostet die Welt? Jedenfalls ist sie preiswert genug, dass all meine geschätzten Nachbarinnen und Nachbarn regelmäßig in ihre Flieger steigen. Ein Rückständigkeit, die ich nie mehr aufholen kann.
Die Religionslosigkeit gehört zu Sachsen-Anhalt, in allen Ehren, versteht sich.
Das Christentum? Sagen wir mal, es gehört noch dazu, so, wie das freie Dorf von Asterix zum unterworfenen Gallien; wenn auch mit deutlich gedeckeltem Selbstbewusstsein. Der Zaubertrank ist wohl etwas abgestanden. Eine Handvoll Dome und tausend Dorfkirchen werden längerfristig als Platzhalter
für´s Christentum nicht ausreichen. Schließlich waren es auch im Gallischen Dorf nicht die Hütten, sondern die Menschen.
Und der Islam? Nun, eine Moschee unter Denkmalschutz ist mir zwischen Magdeburg und Halle nicht bekannt. Der „Messias“ des Hallensers Händel gehört zu Sachsen-Anhalt, auch wenn die Londoner Royals die Stirn runzeln. Von einem Tonsetzer, der sich an Koranversen versucht hätte, weiß ich nichts.
Eine Nummer kleiner: in unserer Straße heißt niemand Mustafa, soweit ich weiß. Unser Dorf braucht sicherlich dringender eine zünftige Eckkneipe, als eine alkoholfreie Teestube. Also Entwarnung?
In mir bohrt ein schrecklicher Verdacht. Da war ich neulich im Allerheiligsten des Protestantismus. Auf der historischen Hauptstraße zu Wittenberg zwischen Luthers Kloster und der Schlosskirche
alle paar Meter eine Döner-Ausgabestelle neben der anderen. Die Inhaber sind zu feige, ihre Religionszugehörigkeit unter der Speisekarte zu vermerken. Aber wer Döner säbelt und Köfte grillt, der betet auch Richtung Mekka. Der Islam ist längst da, Wolf im Schafspelz und im Begriff der Familie Luther posthum an die Gurgel zu springen.
Der Islam gehört zu Sachsen-Anhalt, Herr Ministerpräsident. Sagen Sie´s nur frei heraus!
Blühender Blödsinn? In diesem Fall bleiben nur zwei Antworten. Schaue ich durch die museale Brille auf diese regionale Gesellschaft, dann ist es banal, festzustellen, dass der Islam zu Zeiten des Alten Dessauers oder Erich Honeckers nicht zu ihr gehört hat.
Sehe ich die Lebenskraft, die Kreativität derselben Gesellschaft als den Ertrag der Mühen und Hoffnungen aller, die zu ihr gehören, dann gehört der Islam – ebenso banal – zu Sachsen-Anhalt. Denn ein paar zehntausend Nachbarinnen und Nachbarn werden mehr oder weniger von den Wegweisern dieser Religion durch ihr Leben und ihre Beziehungen geleitet.
Tschüssi! Dieser Gruß, ich kann es als lernwilliger Zugezogener beschwören, gehört zu Sachsen-Anhalt wie die Elbe.