Es ist nicht mehr alltäglich, dass es meine Kirche mit ihrer Zeitkritik auf die Titelseiten der Presse schafft. Da bin ich als treues Schaf aber neugierig, was meine Hirtinnen und Hirten mir da zu sagen haben! Ich bin ja gleich doppelt angesprochen, als Bürgersmann und als einer der verbliebenen Treuen. In meinem Fahrradradius sind wir Treuen gerade mal 10 %, wenn´s hoch kommt – alle Gesangbücher zusammen genommen.
In der Schlagzeile der großen Tageszeitung springt mich das Wort „Götzendienst“ an. Wow, das ist ein Hämmerchen! Wenn wir Christen das rausholen, dann besinnen wir uns auf das Erste Gebot, dann warnen wir z.B. vor dem die Menschlichkeit verschlingenden Mammon oder vor dem Vertrauen auf den Schutz durch Vernichtungswaffen, vor blinder Gefolgschaft bei Führern, wie wir einen hatten.
Also mache ich mich mit heißen Bäckchen an die Lektüre – und bin augenblicklich ernüchtert, wie der Badefreund, der eine stramme aufmunternde Dusche erwartet und nur ein lauwarmes kraftloses Rinnsal erwischt. Da sind kurze Statements von etlichen Damen und Herren zusammen geschrieben, die dem Herrn Jesus in leitender Stellung und in verschiedenen Fan-Organisationen dienen. Sie alle mussten offensichtlich Journalistenfragen nach der ins Haus stehenden Advents-Fußball-WM 2022 beantworten. Sie haben sich bemüht; was den Fußball angeht, bekennend, mit Insider-Vokabular oder eher bischöflich-allgemein.
Und was das Kleingedruckte in Katar angeht, zeigen sie sich erfreulich besser informiert als der gemeine schwarz-rot-goldene Fan: unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Baugruben, die mal WM-Stadien werden sollen.
Aber welcher Bischof oder Kardinal hat denn nun das Kampfwort „Götzendienst“ zu der Schlagzeile beigesteuert? Ich schaue noch mal etwas genauer hin: keiner. Keiner , dem die Titelzeile „Götzendienst im Advent“ vom Munde abgelesen worden wäre. Ein Redaktionsmitglied war so frei, so zu titeln.
Der katholische Sportbischof, ja, den gibt es, so wie den evangelischen Militärbischof, verwahrt sich immerhin gegen ein Endspiel am Heiligabend, wiewohl er die Zustimmung dazu den europäischen und nordamerikanischen FIFA-Funktionären ohnehin kaum zutraut… Aber ansonsten? Viel Lärm um wenig! Keine Aufrufe zu Demos vor der DFB-Zentrale. Keine Bundesliga-Boykotts durch CVJM oder Katholische Landjugend. Keine Forderungen nach einem klaren Bekenntnis der muslimischen Spitzenverbände zum deutschen Weihnachten.
Ja, ich bilde mir ein, ich hoffe, dass da zwischen den Zeilen dieser journalistischen Häkelarbeit so gar ein wenig Einvernehmen zwischen manchen Kirchenhäuptlingen und uns Graswurzel-Christenmenschen durch blinzelt: was kann man denn an dem deutschen Shopping- und Mampf-Advent aus unserer Perspektive mit zehn Stunden Fußball pro Tag noch groß ruinieren?
Die Sicht der biblischen Weihnachtstexte auf das Leben, seinen Sinn und Ziel, die können wir Christenmenschen uns schon seit Jahr und Tag nur noch gegen das „Deutsche Weihnachten“ bewahren. Jedes Element christlicher Volksfrömmigkeit, dass den Werbefuzzis vor Weihnachten ins Konzept passt, ist längst zur Verwurstung freigegeben. Ein weltanschauliches Urheberrecht kennen offene Gesellschaften nicht, allenfalls ein gelebtes.
Götzendienst Advents-Fußball? Schlimmer, götzendienerischer als das, was wir längst haben, kann ein FIFA-Turnier den Advent 2022 kaum verunstalten; trotz gieriger Milliardengeschäfte und böser Menschenrechtsbilanz im Vorlauf. À propos Menschenrechte: es ist nun wirklich nicht schwer, die unwiderstehlichen Top-Seller eines hiesigen Weihnachtsgeschäftes auf die menschenrechtliche Waage zu legen. Was wir da alles an Anhaftungen von Blut, Tränen und nackter Ausbeutung nach Hause tragen, kann Schenkenden und Beschenkten schon auf den Magen schlagen.
Bleibt dieser Ausdruck „Götzendienst“, wohlgemerkt, nicht aus Bischöfinnenmund, sondern aus der Journalistenfeder: ich mag ihn so wenig, wie z.B. das Wort „Heiden“. Beide Worte eignen sich hervorragend als Schlagwerkzeuge gegen weltanschauliche Gegner. Götzendienst praktizieren kann bei Lichte besehen aber nur der oder die, die es eigentlich besser wissen. Wenigstens in Glaubensdingen schützt fehlende Erfahrung vor Strafe.