„Gott ist doof“. Die Anzeige mit der Titelseite einer Berliner Stadt-Illustrierten macht mir Spaß. Auch hinter den Untertitel kann ich ganz entspannt mein zustimmendes Häkchen machen: „Warum Berlin gar keine Religion braucht.“
Ob die lieben Leute in der Redaktion mit dieser Rückmeldung eines religiös Infizierten, noch dazu eines Berufschristen rechnen, weiß ich nicht. Ist auch nicht so furchtbar wichtig. Das Vergnügen ist jedenfalls ganz auf meiner Seite.
„Gott ist doof.“ Meine theologischen Erkenntnisse haben sich immer in recht überschaubaren Grenzen gehalten. Aber dass man den Gott der Bibel ohne Risiko eines Strafgerichtes „doof“ nennen darf, wenn der Seele danach ist, das hat uns niemand anderer beigebracht als Jesus von Nazareth persönlich. Was Mutter und Vater, Lehrerin, Trainer und andere Begleiter junger Menschen auf der Suche nach sich selbst immer wieder einmal hinnehmen müssen, ohne die Solidarität aufzukündigen, das muss erst recht ein Gott aushalten, dem an seinen Menschen liegt.
Niemandem von denen, die zu Protokoll geben, dass Gott doof ist, geht dadurch eine Anlaufadresse im Leben verloren. Im Gegenteil, ich halte für möglich, dass Freude aufkommt über die Lebenskraft, die im Widerspruch steckt.
Fairerweise muss ich sagen, dass die Lizenz zum „Gott ist doof“-Sagen nicht von allen drei monotheistischen Buchreligionen gleich unbefangen ausgestellt wird. Beim Islam geht da wohl nichts. Und im Judentum, bei Mose und den Propheten, gibt es beides: diamantharte Worte über die bedrohliche Heiligkeit Gottes hier und ironische Bilder von dem Gott, der von keiner Schmähung erreicht wird – und folglich auf Gotteslästerungs-Paragraphen gern verzichtet, dort.
Warum genau Berlin gar keine Religion braucht, kann ich leider nicht nachlesen, weil die Zeitung bei uns, fern vom Schuss, nicht zu haben ist. Also muss ich mich einstweilen mit dem begnügen, was ich mir als Christenmensch selbst zusammenreimen kann. Berlin ist offensichtlich ein politisch verfasstes Gemeinwesen, eine Darreichungsform dessen, was wir Staat nennen. Und eine Ehe zwischen einem Staat und einer Religion, das geht nun mal nicht; als Zwangsheirat schon gar nicht, aber auch nicht als Vernunftehe. Nicht einmal als Liebesheirat.
Die schockierenden historischen Beweise muss ich nicht wiederkäuen. Weh tut nur, wie oft und wie lange christliche Kirchen der lebensgefährlichen Illusion vom Gottesstaat nachgelaufen sind. Andere Religionen mögen vor ihrer Tür kehren. Das Staatswesen Berlin kann keine Religion gebrauchen. Die Berlinerinnen und Berliner dagegen lassen sich nicht lange bitten. – und suchen sich ihre Götter beileibe nicht nur in Synagogen, Moscheen oder Kirchen „Woran du dein Herz hängst, das ist in Wahrheit dein Gott“, kommentierte der Nicht-Berliner Martin Luther.
Entsprechend phantasievoll und nonkonformistisch füllt sich der Himmel der Berliner Herzen. Der Stadt, der ich demnächst durch Umzug auf Rufweite näher zu rücken hoffe, kann ich nur wünschen, dass all diese Sinn und Antwort Suchenden gemeinsam das Beste der erfreulicherweise Gott-losen Stadt suchen.