So was nennt man wohl einen Joker. Allerdings: es handelt sich nicht um die hoch willkommene Allzweckkarte beim Kartenspiel. Stattdessen lässt man mir völlig freie Wahl, worüber ich am nächsten 19. November mit dem Ehepaar-Abendkreis der Kirchengemeinde sprechen will. „Etwas aus der Dritten Welt. Da kennen Sie sich ja aus. Wie Sie das machen, ist es uns recht.“ Man kennt sich. Also notiere ich am Telefon erst mal den Termin , samt dem Stichwort „Thema offen“.
Später meldet sich doch noch das Stimmchen der Selbstkritik. Das Vertrauen der Einlader ehrt, aber Planung hat auch was für sich. 19. November? Das wäre so um den Buß- und Bettag herum. Ich blättere im Net eine Liste mit Terminen von Festen und Gedenktagen auf. 19. November, lese ich, ist der Welt-Toilettentag; ins Leben gerufen von der Welttoilettenorganisation und unterstützt von der UNO.
Mein erster Gedanke: na, das ist es doch! Kaum ein Gesundheitsnotstand schreit derart nach einer Lösung wie das Fehlen geeigneter Klos für fast drei Milliarden Mitmenschen. Das sind mindestens noch eine Milliarde mehr als jene, denen der Zugang zu sauberem, ausreichendem und bezahlbaren Trinkwasser fehlt. Jede Ärztin, jeder Gesundheitsaktivist in den Armutsregionen der Erde weiß, welche Saat des Todes hier ihren Ausgang nimmt.
Unwillkürlich kommt mir auch die Erinnerung an die Plumsklos meiner ländlichen Kindheit; an die gelegentlichen Einsätze mit den Schöpfeimern am langen Stil, wenn die Grube sich gefüllt hatte.
Ich erinnere mich an hochsommerliche Gestankwolken und an spezielles Eis nach klirrenden Frostnächten. Wir Plumsklo-Kinder sind aber nie krank geworden, weder vom Benutzen noch vom Leeren, das steht fest. Ich wüsste auch zu erzählen von den Kämpfen der Klo-Arbeiterinnen in indischen Städten um menschenwürdigen Lohn. Vor allem aber von den vielen Projekten, die Dörfler in fernen Weltregionen für den Eigenbau von Leben rettenden Einfach-Klos gewinnen wollen.
Ja, das wird ein spannender 19. November, mitten aus dem Leben. Aber werden mir die Damen und Herren, ahnungslos wie sie sind, das anrüchige Thema verzeihen? Da kommen sie guter Dinge, um einen ihnen vertrauen Dritte-Welt-Plauderer zu treffen. Und der mutet ihnen erst mal einen Menge virtuellen Gestank zu. Das kann gut und gern meine letzte Einladung in diesen Kreis werden.
Was tun? Das Thema kippen? Nein! Dem Pastor eine eindeutige Überschrift für den Termin im Gemeindeblättchen mitteilen? Könnte ich. Aber will ich das? Schließlich wollten die den Termin eher als Wiedersehen und weniger als Themenabend inszenieren. Noch haben wir Januar. Ich kann´s mir noch überlegen. Aber erwachsene Leute, die sich in einer Kirchengemeinde treffen, um über das Leben zu sprechen, denen ist etwas Sinn für das wirklich Lebensnotwendige doch wohl zuzutrauen. Oder etwa nicht?