Um Chancengleichheit bei Bewerbungen wird im Arbeitsleben heutzutage heftig gekämpft. Ein Name, der auf türkische oder afrikanische Verwandtschaft schließen lässt? Es wäre einfacher, wohl auch fairer, er müsste zunächst nicht genannt werden. Ein Foto, das eine andere als die mitteleuropäische Hautfarbe oder auch kräftiges Übergewicht offenbart? Da kann man oder frau leicht im Schnelldurchgang aussortiert werden, bevor überhaupt zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wird.
Eine ganze Reihe von Ausschlusskriterien sind mittlerweile bei Stellenausschreibungen allerdings tabu, weil Arbeitsgerichte gesprochen haben. Dies Kriterium hat den Gerichtstest noch nicht bestehen müssen. Die Chancen wären wohl auch miserabel: „Einzelkinder nicht willkommen.“
Die so formulieren, sind freilich keine Personalchefs deutscher Unternehmen. Das tun ihre Geschäftspartner im fernen China – immer häufiger, wie man hört. Chinas so genannte „Kleine Kaiser“, die jungen Leute, die infolge der rigiden Ein-Kind-Politik des Staates Einzelkinder geblieben sind: für Chinas Weltmarkt-Kaufleute sind sie als Führungskräfte zweite Wahl. Schulabschlüsse und Uni-Diplome allein zählen nicht. Risikobereitschaft, Lebensbejahung, Teamfähigkeit sind auch im chinesischen Management gefragt. Und diesbezüglich schwächeln die jungen Leute, die zu Hause die ganze Fürsorge, aber auch alle Erwartungen ihrer Familien aufgebürdet bekamen. Ein Phänomen, das inzwischen Chinas Fachwissenschaft beschäftigt und nicht einfach nur geleugnet wird.
Dabei ist es wohl zweierlei, ob es sich in der Biografie einer Familie ergibt, dass ein Kind ohne Geschwister bleibt, oder ob eine Staatsmacht seit reichlich 30 Jahren zumindest in den Ballungsräumen Väter und Mütter mit eiserner Faust an die Kandare nimmt. Eine Folge, längst bekannt, aber nicht ansatzweise bewältigt, ist der gruselige Männerüberschuss der nächsten Generation. Weil die Tradition den Sohn verlangt, hat das Ein-Kind-Gebot zur Abtreibung ungezählter weiblicher Föten geführt. Aber auch der Junge, der leben darf, kann in vielen Familien kaum angstfrei aufwachsen. Er bekommt seine Prägung mit auf den Lebensweg, wie ich und du.
Und jetzt liest er, dass er sich bei China Export Ltd. gar nicht erst bewerben darf. Der fällige Zornesausbruch steht ihm zu. Außerdem sagt die sozialwissenschaftliche Erhebung gesellschaftlicher Zustände nichts über die junge Frau Ping oder den jungen Herrn Ming, die einen angemessenen Job suchen.
Unser deutsche Einzelkinder-Generation die „Kleinen Kaiser“ nennen zu wollen, auf die Idee käme wohl niemand. Dafür war die Performance der vor nahezu 100 Jahren abgetretenen Hohenzollern kaum eindrucksvoll genug, verglichen mit den Herren und Damen auf dem Drachenthron.
Aber Einzelkind gewesen zu sein, ist schon eine biografische Tatsache, die Betroffene nicht verdrängen sollten. Und wirklich nicht verdrängen sollten wir alle das Wissen, wer in unserer Gesellschaft immerhin einem Teil des Nachwuchses das soziale Training größerer Familien verpasst, das Chinas Manager bei ihrer Bewerbern schmerzlich vermissen: mehrheitlich sind das Mütter und Väter, denen die Gesellschaft ihre Leistung weder wirtschaftlich noch rechtlich besonders erleichtert.