Ja, den ostafrikanischen Staat Burundi mitsamt seiner Hauptstadt mit dem passend dazu komponierten Namen Bujumbura gibt es wirklich. Nicht wie unser Bielefeld, über dessen Realpräsenz sich die Satiriker bis heute streiten.
Ich weiß, meine Richtigstellung klingt nach blühendem Blödsinn, überflüssig, besserwisserisch. Und trotzdem bliebe der Mehrheit meiner tüchtigen Landsleute kaum etwas anderes übrig, als bedauernd mit den Schultern zu zucken, wenn sie nach Land und Leuten in diesem Flecken Afrikas gefragt würden.
Meine Erinnerung an den einzigen Tag, den ich je in Bujumbura verbracht habe, legt nahe, dass ich damals von den Hoffnungen und Ängsten der Menschen dort nicht viel verstanden haben kann. Ein Hotel-Pool mit dem ganzen Service-Getue für Ausländer und eine kleine einheimische Clique. Das ist nicht gerade der Ort, um Widersprüche und Herausforderungen einer afrikanischen Gesellschaft zu begreifen. Wie ich dahin geraten bin, weiß ich nicht mehr genau.Ich war einfach Reisebegleiter eines im benachbarten Kongo eingesetzten Kirchenarbeiters.
Was da im mehr als 20 Jahre alten Nebel der Erinnerung wabert, wird für mich im Juli 2015 unvermittelt zum Warnruf; zur drastischen Erinnerung daran, dass sich die Horrorszenarien der Menschheit nicht selbstverständlich nach den Bauchgefühl unserer Nachrichtenredaktionen richten.
IS-Terror; Gemetzel und Massenflucht in Irak und Syrien; Pro und Contra-Kampf um Flüchtlinge bis in die hinterste deutsche Provinz. Mehr passt nicht in unsere Schlagzeilen, auch nicht in unsere Seelen. Basta!
Aber die Wirklichkeit lässt sich nicht aussperren. Eine läppische Präsidentenwahl in diesem kleinen Burundi, ein machtgieriger Amtsinhaber, dessen Namen wir uns nicht merken werden, der trotz Verfassungsverbot nicht von der Macht lassen will, – und schon ist nicht mehr unvorstellbar, dass die furchtbaren Mechanismen wieder wirksam werden könnten, die vor reichlich 20 Jahren „Afrikas Ersten Weltkrieg“ entfesselt haben. Es muss nicht dazu kommen, aber es kann. Der alte Hass, die alten Fratzen eines von mörderischer Propaganda herbei geredeten ethnischen Konfliktes; die grenzüberschreitenden Menschenjagden; all das wäre schlimmstenfalls nicht Schnee von gestern, sondern wieder Blut von heute.
Wir haben damals mit Betonung vom „Ersten Weltkrieg Afrikas“ gesprochen, weil die Berge der Leichen auf den Hügeln Ruandas und in den Wäldern des Kongo sich Jahr um Jahr addierten auf die Zahlen von Verdun. In der nackten Brutalität des Bodycount wurde alles übertroffen, was die Bestatter in den Kriegen näher vor unserer Haustür in den Massengräbern zählten.
Wir politisch mitdenkenden Christenmenschen werden viel zu beten haben in naher Zukunft, wenn uns die Menschen in Burundi, Ruanda, dem Kongo, Tanzania in den Sinn kommen.
Viele politische Führer werden Frieden zerstörenden Versuchungen widerstehen müssen. Niemand in der Region darf um schnöder Macht Willen noch einmal die alten ethnisch vergifteten Mordparolen über die Lippen bringen. Die Frauen und Männer in den Kirchen werden Tag für Tag den Weg Jesu suchen müssen und dabei mit ziemlich leeren Händen weiter verzweifelte Nothilfe leisten.
Wer immer in unserem Teil der Welt im Lebensraum der Großen Seen eigene Macht- oder Wirtschaftsinteressen verfolgt, wird sich das auf den Kopf zusagen lassen müssen. All das zusammen mag dazu führen, dass der furchtbar böse Geist in der Flasche bleibt, dass „Afrikas Erster Weltkrieg“ nicht von neuem auflodert.
Aber die Warnung durch den gegebenen Anlass „Burundi“ bleibt bestehen: nicht die geographische Entfernung oder unsere eigenen Ängste entscheiden darüber, ob uns Kriegsgefahr oder Krieg irgendwo auf der Welt etwas angehen, sondern das Leid, das unsere Mitmenschen unter sich begraben kann.