Fastenaktion 2013, 28. März
Wahrscheinlich kann der gute Bischof nichts dafür! Wie ich den Laden so kenne, hat sich ein Mitmensch der bezahlten schreibenden Zunft einfach eine Pressemitteilung seines Ordinariats vorgenommen und ein bisschen darin herum gestochert, wie ein gelangweilter Esser im gemischten Salat. Herausgepickt, wie eine Olive mit Knobifüllung, hat er sich dann diese Neuigkeit: der Bischof habe seine Pfarrer aufgefordert, sie sollten sich bei ihrer Berufsausübung mal gezielt um Barmherzigkeit bemühen. Ein Zehnzeiler, würde ich aus der Erinnerung sagen.
Für unsere Stadt mit ihrer großen Kirchengeschichte, zwei Bischofskirchen, ein paar Prozentkrümeln getaufter und nicht ausgetretener Christenmenschen und einer soliden Skepsis gegenüber denen, die die Kirchen immer noch nicht in Discos oder stilvolle Lokale umwandeln wollen, ist das schon eine ganze Menge. Die christliche Botschaft ist vor Ostern in der weltanschaulich neutralen Monopolzeitung vorgekommen. Da können sie bei den Kirchen nicht meckern.
Ich habe keine Zeit darauf verwandt, mir das Wort des Bischofs unserer katholischen Schwesterkirche, entweder zur kürzlichen Papstwahl, oder zu Karfreitag/Ostern, oder zu beidem, im elektronischen Schaukasten anzusehen, wo es ja aushängen muss. Meine Glaubensgeschwister werden hoffentlich Lohnendes zu lesen bekommen.
Einstweilen kichere ich noch angesichts der Vorstellung, ein kirchlicher Oberer würde mir die Aufforderung auf den Schreibtisch knallen, meinen Beruf künftig mit einem höherem Anteil an Barmherzigkeit auszuüben. Ich stelle mir so einen strukturell überlasteten Christenmenschen vor. Von Jahr zu Jahr muss er, – in evangelischen Revieren ebenso sie,- mit expandierenden Zuständigkeitsbereichen fertig werden. Aufgaben des mittleren Managements zuhauf. Weiterbildung soll auch sein. Burn-out ist beileibe mehr als eine Phrase und die Eier legende Wollmilchsau das Wappentier. Wer da platt „mehr Barmherzigkeit“ verordnen würde, wäre ein Menschenführer der weniger liebevollen Art.
Das Maximale, was so ein Vorgesetzter von mir zu erwarten hätte, wäre, dass ich ein weiteres Zettelchen auf meine Pinnwand haue mit dem Vermerk „Mehr Barmherzigkeit!“ Aber dafür müsste ich schon ganz schön Stress-umnebelt sein und nicht mehr unterscheiden können, welche Pinnwand-Notizen helfen und welche nicht.
Barmherzigkeit lässt sich eben nicht geordnet im Terminkalender unterbringen. Im Gegenteil, sie kann jeden Terminplan zur Makulatur machen. Weiß ich, was der unsterbliche Barmherzige Samariter in Jericho alles für dringende Termine hatte. So etwas ist ja keine Erfindung unserer Zeit. Es spricht auch nichts dafür, dass er 24 Stunden für die Rettung eines Verletzten aufwänden konnte, weil er arbeitslos oder schon Rentner war. Er akzeptierte einfach, dass er und niemand sonst auf der Welt, in dieser Stunde und an diesem Ort, der „Nächste“ sein musste.
Barmherzigkeit, so versuche ich es zu lesen, ist kein Punkt für eine Dienstanweisung, weder für Berufschristen noch für die, die sie berufen, noch für die Anhänger der anderen Religionen, die auf Barmherzigkeit große Stücke halten. Barmherzigkeit ist, wenn sie sich uns erschließt, eine Art zu leben. Ein „Modus“, wie die Technik es uns heute in den Mund legt. Im Normalfall lebst du in Sachen Barmherzigkeit „stand-by“. Die nötige Herzensenergie hält die Bereitschaft zum Handeln vor. Und dann passiert es. Das Leben stupst uns unangekündigt und unwiderlegbar mit der Nase auf die Situationen, wo wir und niemand sonst dran sind. Nur du kannst hier und jetzt Weltverbesserer sein. Nur durch dich kann im Leben eines verzweifelten Menschen fürs erste etwas besser werden.
So etwas mag auch der Bischof gemeint haben. Und er meint dann selbstverständlich alle, die zum Volk Gottes gehören, auch seine Pfarrer. Allerdings müssen sie dann im Kuratorium X oder im Bauausschuss Y auch schon mal die Verspätung eines geistlichen Herrn akzeptieren, wenn ein einfacher Mensch in großer Not ihn nicht gehen lassen wollte.