Oregano, der Wilde Majoran, ist nicht gerade Top-Favorit für den Wettbewerb „Wer hat den hipsten Vorgarten“. Jeder Baumarkt hat da eine überlegene Auswahl grellbunter Blumenschalen auf bodendeckendem Kiesgrund auf Lager. Exotisch, modisch, insektenabweisend, Pflegeaufwand gegen Null.
Oregano, unsere einheimische Nutzpflanze im Hochsommeroutfit kann da kaum mithalten. Hüfthoch, bedeckt von ausladenden lila-bläulichen Lippenblütler-Dolden. Kein spektakuläre Eye-Catcher; eher Wegesrand, Trockenrasen, stinknormale Natur, die man links liegen lässt.
Oregano: einer der ungezählten Verlierer in dem knallharten Wettbewerb um Einsicht und Lernwilligkeit der Menschen, denen mehr oder weniger Quadratmeter unserer Restnatur anvertraut sind: den Besitzern der vielen Millionen Grundstücke im Land; ob Privatleute, Unternehmen oder auch Kirchen. Letztere sind wichtige Treuhänder der Restnatur an so gut wie jedem Ort des Landes.
Aber die Stunde des Oregano kommt! Sie ist gekommen.
Wir erleben sie bei uns hinterm Haus, auf einem kaum bearbeitetem halbrunden Beet; vielleicht zehn Quadratmeter alles in allem. Seit etwa zwei Wochen tobt da das Leben; unbändig, faszinierend, fernsehreif. Gartenhummeln treffen auf Oregano! Ein ganzes Volk, mehrere hundert unbeirrbare Brummer. Nicht selten mehrere auf derselben Dolde, krabbeln sie von Miniblüte zu Miniblüte. Im Sommer 2015 erschaffen sie eines der ungezählten Naturbilder, die dokumentieren, wie Schloss und Schlüssel im Lebenskreislauf zueinander finden. Nur der biologische Normalfall, eigentlich, und doch überhaupt nicht länger selbstverständlich.
Ein Gartenbesitzer – wir selbst sind nur Mieter – hat nicht mehr getan, als einer wahrhaft einheimischen Pflanze ein Stück Ackerkrume zu lassen. Keine Heldentat. Aber ein komplettes Volk Gartenhummeln kann leben, ohne an Baumarkt-Sterilität im Verein mit den Giftnebeln der Agroindustrie zu verhungern. Sogar drei, vier Falterarten haben sich auf der welligen Landschaft der Oregano-Blüten blicken lassen. Viel zu wenige, wenn ich ein paar Jahre zurück denke. Aber die Sackgassen, in denen Hummeln, Bienen und Falter heute stecken, haben eben unterschiedliche Notausgänge.
Gartenhummeln sind im übrigen Opportunisten. Warum die für unsere Augen umwerfend schönen Stockrosen anfliegen, die übermannshoch hinter den Oreganodolden aufragen? In deren Prachtblüten findet sich immer nur eine einzige Futterquelle. Auf den Dolden sitzen sie im Millimeterabstand nebeneinander. Wäre ich eine Gartenhummel, ich würde mich wohl auch an das Oregano-Schlaraffenland halten.
Aber den Häuslebauern landauf landab möchte ich die Königinnen der Mauerritzen, die Stockrosen schon in Erinnerung rufen. Wer sonst zwängt sich so stur und prächtig zugleich an unsere Zäune und Mauern. Wer seine häuslichen Stockrosen bestaunt, wie sie ihm sommertags einfach über den Kopf wachsen, dem müsste die Unterscheidung zwischen intakten Lebenskreisen und Sterilität künftig etwas leichter fallen.
Oregano und Gartenhummeln, das ist eine von ungezählten Bio-Beziehungskisten, an denen unsere Zukunft hängt, nur eine. Ein paar Klicks im Net, und wir sind beim Menschheitsproblem Bienensterben angekommen. Auch da werden wir mit der Nase auf die naturgesetzlichen Lebenszusammenhänge gestoßen. Hiesige Honigbienen können nicht aus ihrer Haut. Jeder Umweltverband hat Artenlisten gartentauglicher Immenweiden auf seinen Ratgeberseiten. Solchen Rat zu nutzen, duldet keinen Aufschub mehr.