Saubermachen für den Papst?

 

Es ist nur ein knapper Satz in den Radio-Nachrichten. Der Papst ist unterwegs nach Kuba. Im Vorabbericht heißt es nüchtern, die Regierung habe auf der Route des heiligen Vaters zu seiner ersten Messe eine größere Zahl Obdachloser in Gewahrsam genommen und an einen Sammelpunkt gebracht.

Wieder mal einer dieser Sätze, die sich festhaken wie Kletten. Eigentlich keine Sensation. Nichts, was speziell das sozialistische Regime der steinalten Männer in Havanna an den Pranger stellen würde.

Jede nationale Obrigkeit sorgt sich bei päpstlichen Staatsbesuchen angesichts der Allgegenwart von Kameras und Medienleuten um ihr Image. Meist sehr vorübergehende soziale Säuberungsaktionen an Prachtboulevards finden aus solchen Anlässen alle Nasen lang irgendwo statt. Auftraggeber sind auch durch demokratische Wahlen in ihre Ämter gekommene Politiker. Anlass kann alles bieten, was reichlich Schlagzeilen und Bilder produzieren wird. Der Papst ist da nur die Spitze des medialen Eisberges. Olympiaden, Weltkonferenzen und dergleichen tuns auch. Unsere Stadt soll schöner werden, bei solchen Anlässen, wenigstens für 72 Stunden oder etwas länger.

Wenn mich meine Erinnerungen an Aufenthalte in Millionenstädten im Süden der Welt nicht trügen, dann wird der Anblick wohnungsloser Leute in Santiago de Cuba oder Havanna ganz gewiss nicht aus dem Rahmen fallen – und wenn, dann vermutlich, weil er im Alltag weniger spektakulär ist als anderswo. Nein, es geht nicht um Armut unter der Herrschaft von Sozialisten oder Kapitalisten. Es geht auch nicht um den zeitgleichen Konflikt des kubanischen Regimes mit Oppositionellen. Die wollten mit dem Papst reden und finden sich statt dessen in Polizeigefängnissen wieder. Die überlebten Revolutionäre von der Zuckerinsel werden die Quittung für ihre Torheit bekommen.

Nein, unerträglich bleibt ganz speziell diese Mischung: der Stellvertreter Christi auf Erden – laut katholischer Kirchenlehre wenigstens – schwebt ein, und die Obdachlosen werden vorab abgeräumt! Genau die Leute, die zusammengehören, seit Jesus sich damals auf den Weg gemacht hat. Er, und die Mühseligen und Beladenen. Ich habe es nicht ausgezählt: aber viele, denen Jesus am Straßenrand ein neues Leben schenkte, würden heutzutage in die Kategorie “Wohnungslos” fallen. Wäre Jesus damals nach den Regeln eines Staatsbesuches unterwegs gewesen, sie hätten sich nie gefunden. Ihr Dank hätte auch nicht zur Triebkraft der Frohen Botschaft werden können.

 Natürlich will der alte Herr in Weiß mit der hohen Gelehrtenstimme nicht, dass seine mächtigen Gastgeber ihm den Anblick von Bürgersteigbewohnern ersparen. Seit die Päpste ab 1964 zu Weltreisenden geworden sind, haben sie sich immer wieder als Pilger bezeichnet, die zu Orten der Menschen und der Kirche unterwegs seien. Aber für ein Staatsoberhaupt, das der Papst zu sein beansprucht, ist schlecht pilgern.

 Ein hausgemachtes Glaubwürdigkeits-Problem der Katholischen Kirche? Das glaube ich nicht. Wir Christenmenschen der Reformation haben zwar keinen Papst. Im Medienzeitalter zahlen wir dafür sogar einen kräftigen Preis durch geringere Präsenz in der Öffentlichkeit. Aber wir haben unser gerüttelt Maß Anteil an dieser Geschichte, in der sich die Kirchen unablässig um Wohlwollen und Privilegien aus dem Füllhorn der Mächtigen bemüht haben.

Deshalb steckt im Bedeutungsverliust unserer Kirche in der säkularen Gesellschaft bestimmt auch die Chance der Wiederannäherung an Jesus.

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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