Shitstorm? Bei meiner Klobürste: Nein danke!

Es ist noch kein Jahr her, das ich zum ersten Mal über den Ausdruck gestolpert bin. Eine junge Politikerin klagte im Fernsehen darüber, wie belastend es sei, unverhofft Zielscheibe eines „Shitstorm“ zu werden. Die Sache musste etwas mit diesen modernen Kommunikationsmitteln zu tun haben, die ich mir altersstarrsinnig vom Leibe halte.

Viele stürzen sich gehässig, gern auch anonym, auf eine Einzelne. Soviel verstand ich. Aber hatte ich den Ausdruck richtig mitbekommen? Mein Ohr meinte, die englischen Wörter shit, gleich Scheiße, und storm, gleich Sturm aufgeschnappt zu haben. Ein Scheiße-Sturm also? Ernsthaft ein Bild, das auffordert, einen Mitmenschen mit verbalen Fäkalien zu bewerfen? Unter Verzicht auf alle Argumente, ein stinkender Pranger, mit keinem Wasserschlauch wegzuspülen? Soviel ekelige Entschlossenheit konnte ich mir im politischen Streit einfach nicht vorstellen.

Ich, wir alle, haben im Rekordtempo dazu gelernt. Mindestens eine stattliche Minderheit meiner Landsleute findet das in Ordnung, aus der perfekten Deckung ihrer Computer-Ecken unliebsame Leute so richtig einzustampfen, ohne jedes Risiko. Da waren wir Dorfjungen noch erheblich mutiger, wenn wir dem Kaplan aus der Deckung hinterm Busch mit der Zwille einen Kirschkern auf die Soutane geschossen haben.

Aber jetzt wird’s wirklich kompliziert. Kaum habe ich kapiert, was ein Shitstorm ist, soll ich auch schon bei einem mitmachen. Da erinnerte sich jemand an mich, als es darum geht, der deutschen Bank wegen Spekulationsgeschäften mit Grundnahrungsmitteln die Meinung zu sagen. Ich sei ja wohl auch der Meinung, das sei vom Übel. Deshalb möge ich mich bitte ganz schnell an dem Shitstorm beteiligen, den sie gerade zu entfesseln gedächten. Shitstorm, als erhellender Fachausdruck sozusagen, der Begriff kam aus dem Telefonhörer.

Ich vermute, ich bin dem Anrufer mit meinem Vorbehalt gegen die neue Aktionsform ein wenig auf die Nerven gegangen. Mein Ruf als ziemlich alter Menschenrechtsaktivist wird wohl etwas Schaden genommen haben. Aber wir sind diesmal nicht zusammen gekommen – allein um des lieben Friedens willen.

Selbstverständlich hat die Deutsche Bank heftige öffentliche Kritik verdient. Um der Menschenrechte willen haben sich Banken in der letzten Generation mit Boykottaufrufen und organisierten Kontokündigungen auseinandersetzen müssen. Ein Vorgang, der in Vorstandszimmern mit Sicherheit mehr Eindruck macht, als ein paar tausend Schimpfereien mit Fäkalanhaftungen.

Alle Schulungen in Sachen Menschenrechts-Lobby, die mir zuteil geworden sind, haben immer die Regel „Klar in der Sache – korrekt in der Form“ vermittelt. Jahrzehnte lang galt auch die Empfehlung: „Der beste Brief ist der persönlich formulierte.“

Deshalb hege ich ein kräftiges Misstrauen gegenüber den nahezu täglichen Siegesmeldungen in meinem elektronischen Briefkasten. Da teilt dies oder jenes Büro mit, welche Heerschar von Menschen in den letzten 48 Stunden welchem Wirtschafts- oder Politik-Banditen die Meinung geklickt hat. Dabei verwechsele ich so etwas natürlich nicht mit dem Gestank eines Shitstorms.

Aber ob ich auf die Shit-Stürmer – meine traditionelle Erziehung verbietet mir, inklusiv auch von Shit-Stürmerinnen zu sprechen – Hoffnungen im Blick auf die zukunftsfähige Transformation unserer Gesellschaft setzen soll? Ich glaube, ihr Investment ist einfach viel zu mickerig.

Bei meiner Klobürste: da sind mir meine privaten angejahrten Shitstorm-Erfahrungen doch noch lieber: als Mitbürger zu Zeiten der heißen Nachrüstungs-Streitigkeiten ermutigt wurden, unserer Familie Stinkendes in den Briefkasten zu stopfen, hielten die Autoren des Flugblattes mit ihrer Identität nicht hinter dem Berg. Und die Schmiererei mit braunem Bio-Endprodukt am Türschild unseres Eine Welt-Zentrums zur Feier des 100. Führer-Geburtstags am 20. April 1989 war ebenfalls das Werk bekannter Künstler. Wenn schon Scheiße, dann bitte so.

So will ich beim ollen Leisten des Menschenrechts-Handwerkers bleiben. Wenn´s sein muss, mit einem etwas resignierendes Eingeständnis, ebenfalls „in English“ : „Never teach an old dog new tricks.“ (Versuch nicht, einem alten Köter neue Tricks beizubringen.)

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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