Sieben Milliarden Bienen für Europa – und zehn für mich

 

Sieben Milliarden: tut mir leid. Das kann ich nun wirklich nicht nachzählen. Sieben Milliarden Honigbienen, apis mellifica, das an Individuen zahlreichste Haustier des Menschen, fehlen seit neuestem im alten Europa.

 Und weil ich der diesbezüglichen Mitteilung einer Universität in Großbritannien nicht entnehmen kann, ob damit unser EU-Europa gemeint ist, oder alle Länder bis zum Ural, nehme ich für meine törichte kleine Kopfrechnung mal das zweite an. Dann hätten also rund 700 Millionen Europäer die Aufgabe, Nahrung und Lebensraum für weitere sieben Milliarden Honigbienen zu schaffen. Eine Milliarde hat tausend Millionen. Also müsste sich jede Tochter und jeder Sohn der alten Welt den Kopf darüber zerbrechen, was sie bzw. er tun kann, um zehn zusätzliche Honigbienen an den Start zu bringen.

 

Dass die Bienen für unser Wohlergehen wichtiger sind als alle Hühner und Schweine zusammen, muss leider immer noch laut und unüberhörbar gesagt werden. Die deutliche Mehrheit aller Nutzpflanzen ist zu ihrem Gedeihen, für ihren Ernteertrag, auf die Bestäubung durch die Honigbiene angewiesen. Hummeln und Wildbienen tun, was sie können. Aber ihr Anteil an der jährlichen Fruchtreifung ist eher Zugabe. Ohne genug gesunde Bienen kann uns das Täglich Brot in seinen verschiedenen Erscheinungsformen furchterregend knapp werden.

 

Ein schlimmes Szenario, und noch dazu hausgemacht, allen Dementis von Interessenvertretern zum Trotz. Außer der Agrarchemie sind das die Matadore der Bioenergie-Pflanzen-Branche – vom Bauern, der sehen muss, wo er bleibt, bis zur EU in Brüssel. Die beschlossene Zehn-Prozent-„Biosprit“-Beimischung bis 2020 ist nicht zu wuppen ohne weitgehende Umnutzung der Ackerböden hierzulande und weiteren Kahlschlag in den letzten Primärwäldern des Südens.

 

Wenn ich mir einen Blick auf die Biosprit-Einöde gönnen will, brauche ich nur einen Fuß vor die Tür zu setzen. In unserem Dorf in der Magdeburger Börde leben wir mittendrin. Bei uns ist es der Mais. Seine grünen Mauern sind unser Horizont geworden. Anderenorts wächst Raps für den Tank. Ohne fliegenden Bestäubungsservice kommt der aber nicht aus. Nur, was er bietet, ist Schmalhans-Kost für die Bienen. Sie siechen dahin wie Menschenkinder, denen man das Lebensnotwendige an gesunder Nahrung verweigert. Dort, wo immer genug gesunde Bienen-Mischkost zu finden war, nun auf riesigen Schlägen nichts als minderwertiges krank machendes Bienen-Junkfood! Jeder fünfte Acker-Hektar trägt inzwischen so zur Mangelernährung der Honigbienen bei.

 

Also ziehe ich mir den Schuh an und überlege, was ich für meine anteiligen zehn Bienen tun kann, damit sie Anno 2014 eine Chance haben. Gut, ich hoffe, das diese Zeilen ein paar Zeitgenossen auf richtige Gedanken bringen. Und ich kann meine Frau bitten, bei der Saisonplanung 2014 rund um unser kleines Tagungshaus noch mehr auf Pflanzen mit Bienenweide-Qualität zu achten. Aber das zählt nicht. Denn das tut sie sowieso. Spritverbrauch Senken ist für notorische Radfahrer auch kein ganz aufrichtiger Vorsatz.

 

Als heimatlose Biene verkleidet, Hausbesuche machen bei Häuslebauern mit Horrorgärten, jedenfalls durch die Facettenaugen von Bienen betrachtet?

 

Nein, fertig bin ich mit dem Thema noch nicht. Außerdem: ich mag die Biester ganz einfach. Und im Herbst am Pflaumenkuchen: das sind nicht die Bienen, sondern die Wespen. Die haben vorher übrigens schon fleißig Schadinsekten vertilgt.

 

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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