Gottesstaat? Gott bewahre! Gottesstaat, Horror und Hirngespinst, von Pseudo-Muslimen an die Wand bzw. auf Fernsehschirme und Webseiten geschmiert. Niemand kann mit der tödlichen Intoleranz eines solchen Konzeptes von Gesellschaft leben, Muslime nicht, Christen und religiös nicht gebundenen Menschen erst recht nicht.
Wenigstens wir Christen haben diesen furchtbaren Irrweg hinter uns, wollte ich hoffen. Ich will es hoffen, weil der Rückblick auf die Tyrannei der verschiedenen christlichen Gottesstaaten kaum auszuhalten ist. Jesus von Nazareth selbst war immer das erste Opfer, wenn anschließend die Unangepassten, die Ketzer, die „Heiden“ ihren Inquisitionen zum Opfer fielen.
Heute gibt es keinen UNO-Mitgliedsstaat mehr, in dem mächtige christliche Kirchen mit Aussicht auf Erfolg verlangen könnten, anders denkenden, anders glaubenden Mitbürgern von staats wegen Bürgerrechte, Freiheit und Leben zu rauben. Wir können uns also jetzt darauf konzentrieren, den Muslimen beizustehen, die gegen den unerträglichen Missbrauch ihrer Religion aufstehen, dachte ich,
bis mir die Übersetzung eines Artikels aus der Zeitung „National“ aus dem fernen Papua-Neuguinea unter die Augen kam. Am 12. Mai war dort zu lesen, dass die Regierung es mit der Forderung einer einheimischen Lutherischen Kirche nach einer Verfassungsänderung zu tun bekommt. Ihr Sprecher fordert eine Verfassungsänderung. Die Aussagen über Religionsfreiheit sollen gestrichen und durch die Formel ersetzt werden „Wir sind eine christliche Nation.“ Zur Begründung heißt es „Im Moment öffnet unsere Verfassung die Türen für andere Religionen wie den Islam, den Buddhismus, den Hinduismus oder die Bahai.“
Nun weiß ich aus vielen Jahren kirchlicher Gremienarbeit, dass die Rolle der einheimischen Kirchen bei Entwicklung des modernen unabhängigen Staates Papua-Neuguinea kaum zu unterschätzen ist. Schulwesen, Gesundheitsdienste, ländliche Entwicklung, überall haben sie wegweisend gewirkt. Nicht zuletzt haben sie der weltweit einmaligen Vielfalt kleiner Volks- und Sprachgruppen geholfen, den Weg in die eine große Inselnation zu finden.
Aber deshalb einen Kardinalfehler der Kirchengeschichte des fernen Europa wiederholen? Per Verfassungsänderung die christliche Staatsreligion verkünden, erklärtermaßen als Abwehrfront gegen die anderen großen Weltreligionen der pazifischen Welt? Das ist noch nicht der christliche Gottesstaat. Dazu müsste die Staatsreligion sich noch zusätzlich bewaffnen mit diskriminierenden Gesetzen und einem skrupellosen Terrorapparat. Aber es ist der erste Schritt, der verhängnisvollste von allen. Die Gedanke, das Reich Christi entgegen seiner ausdrücklichen Aussage doch zu einem innerweltlichen Machtinstrument zu machen, bleibt infektiös.
Darum bin ich erleichtert, in derselben Presseschau auch ein paar andere Meldungen zu lesen, die hoffen lassen, dass diese törichte Kirche mit ihren Ansinnen kaum durchdringen wird. Da heißt es von der einheimischen katholischen Kirche, dass sie strikt gegen die politisch diskutierte Einführung der Todesstrafe sei. Gottesstaaten kommen selten ohne aus. Und in einer Stadt namens Goroka organisieren die ortsansässigen Kirchen auf Bitten der Verwaltung ehrenamtlich die Müllabfuhr, statt im Rathaus nach der Macht zu greifen. Kirche für die Menschen, z.B. für die Gesundheit der Kinder, das ist es.